Trottellumme - Seevogel des Jahrhunderts

Die Schutzstation Wattenmeer erklärt die Trottellumme (Uria aalge) zum Seevogel des Jahrhunderts.

Begründung: Die Trottellumme, ein 42 cm großer Alkenvogel, lebt in großen Beständen in Atlantik und Nordsee. Er brütet kurzzeitig auf unzugänglichen Felsen, in Deutschland ausschließlich auf Helgoland, und verbringt sein restliches Leben auf Hoher See. Obwohl die Vogelart weit entfernt menschlicher Siedlungen lebt, gehört sie zu den am meisten durch den Menschen geschädigten Meeresvögeln dieses Jahrhunderts.

Der Grund: Trottellummen sind seit Beginn der Erdölförderung und Be- förderung auf See und der Verwendung von Bunker C-Öl als Schiffstreibstoff stets die Hauptopfer der Meeresverölung. Sowohl durch die "schleichende Ölpest", also die Verölung des Meeres durch den täglichen Schiffsverkehr, die zahlreichen Offshore-Ölplattformen und die illegale Öl-Verklappung, als auch durch akute Ölpest, verursacht durch Havarien, starben in diesem Jahrhundert bereits Hunderttausende, wahrscheinlich Millionen Individuen dieser Tierart. Dem Küstenbewohner und Fernsehzuschauer sind die schönen, pinguinähnlichen Vögel daher überwiegend als völlig verklebte, siechende Ölvögel bekannt. Allein an der Wattenmeerküste werden bis zu 62% aller gesichteten Trottellummen verölt angetroffen. Dennoch kann sich die Art bislang noch gegen den Druck des Industriezeitalters behaupten und ist nicht vom Aussterben bedroht. Wahrhaft eine Jahrhundertleistung!


Weiterer Hintergrund
Eine Rettung von stark verölten Seevögeln ist nach dem heutigen Stand der Technik noch immer äußerst aufwendig und nur von erfahrenen Spezialisten durchzuführen. Zu diesem Schluss kommen wissenschaftliche Expertisen aus den vergangenen Jahren sowie die Erfahrungen amtlicher Experten nach der Havarie der Pallas vor Schleswig-Holsteins Westküste im vergangenen Jahr. Damals waren von über 20 000 betroffenen Vögeln rund 1000 verölte Tiere von internationalen Tierschützern in Auffangstationen gebracht worden. Nachdem sie- zum Teil in Vogelwaschmaschinen die von der Ölfirma Elf-Aquitaine zur Verfügung gestellt wurden-, einem stressigen Transport-und Reinigungsprozess unterzogen wurden und zum großen Teil mehrere Wochen in Käfigen und Gehegen verbrachten, wurden lediglich rund 200 Tiere in die Freiheit entlassen. Deren Überlebenschance in freier Wildbahn wird von Biologen als sehr gering eingeschätzt. Trottellummen, die ein bestimmtes Gesamtgewicht (ca. 800 g) bei ihrer Auswilderung unterschreiten, sind mit großer Wahrscheinlichkeit dem Tode geweiht. Dieses Gewicht in Gefangenschaft anzufüttern gilt jedoch als sehr schwierig. Bei längerer Haltung leiden die sonst nur auf Hoher See lebenden Tiere schnell an Fußkrankheiten durch den unvermeidlichen Bodenkontakt. Ganz zu schweigen von den Folgen der inneren Vergiftung durch geschlucktes Öl und die Strapazen des Reinigungsprozesses und der für die Tiere völlig unnatürlichen Umgebung. Selbst wenn vereinzelt Tiere überleben sollten, ist es äußerst fraglich, ob sie sich langfristig wieder in den Wildbestand ihrer Artgenossen eingliedern können. Langzeituntersuchungen über diese Frage sind international bisher nur sehr spärlich durchgeführt worden. Allerdings soll es vielversprechende Ansätze in Amerika und Großbritannien geben, wo eine, aus rein ethischen Tierschutzaspekten motivierte Forschung zur Ölvogelrettung betrieben wird. Auch dort ist man sich jedoch darüber im klaren, daß die Hilfe im Katastrophenfall nur für einen geringen Bruchteil der Vogelbestände geleistet werden kann und es keinen nennenswerten ökologischen Einfluß auf den Populations-oder Arterhalt geben wird.

Es bleibt also festzustellen, daß derzeit der Natur nach dem Austreten von größeren Ölmengen kaum zu helfen ist. Vorrangig ist die möglichst schnelle Reinigung verschmutzter Uferbereiche, das Abschöpfen von Oberflächenöl und der Versuch punktuell dichtere Vogelbestände aus Gefahrenzonen zu vertreiben, bevor sie verölt werden. Deutschland unterstützt diese Arbeiten derzeit durch die Bereitstellung des Ölauffangschiffes "Neuwerk" und weiterem Material vor der französischen Küste.