Deutschlands erstes Walschutzgebiet ist ein neues Gütesiegel für Sylt

Prädikat wertvoll
Unsere Nordseeregion wird durch dieses unverwechselbare und einmalige Naturschutz-Prädikat erheblich aufgewertet, weil es dem zukünftigen Sylturlauber die hohe Natur-und Meerwasserqualität vor der Insel, quasi mit Brief und Siegel deutlich macht. Eigenschaften, die laut einer Emnid Umfrage von 1998 erheblich die Entscheidung für das Urlaubsziel beeinflussen. Nun liegt es an den sylter Tourismusmachern und den Gastgebern der Insel, geschickt mit der neuen Auszeichnung zu werben und aktiv beizutragen, dass die in der Vergangenheit oft destruktive und von Desinformation geprägte Diskussion um das "Pro und Contra" beendet wird. Nur wenn das Walschutzgebiet von der gesamten insularen Gemeinschaft positiv dargestellt wird, kann der langfristige Werbeeffekt für die Wettbewerbsfähigkeit der Insel genutzt werden.

Ein starkes Stück Meer Für die Unterstützung der wichtigen "Kinderstube" der Kleinwale gibt es triftige Gründe. Immerhin gehört das Meer zwischen Römö, Amrum und der Zwölf -Meilengrenze zu dem von Kleinwalen am dichtesten besiedelten Teil der Nordsee. Hier kalben die Tiere und ziehen ihre Jungen auf. Zusätzlich ist das Gebiet ein wichtiges Nahrungsbiotop für Deutschland*s einzige Kegelrobbenkolonie und den größten Seehundbestand im internationalen Wattenmeer. Hinzu kommt die besondere Bedeutung für verschiedene Hochseevogelarten. Bis zu 190 000 Trauerenten (> als 10% des europäischen Bestandes) werden vor den Nordfriesischen Inseln zur kalten Jahreszeit gezählt und auch Seetaucher bringen es hier auf weltrekord-verdächtige Dichten. Weitere Arten sind Trottellummen, Krabbentaucher, Basstölpel, Tordalke, Eis-, Samt- und Eiderenten die hier zeitweise in nennenswerten Beständen vorkommen.

Schutz für Natur und heimische Fischerei Nicht nur die Tourismuswirtschaft, sondern auch die lokale und regionale Fischerei sollte das neue Schutzgebiet auf offener See begrüßen. Dank des Naturschutzrechtes wird es möglich sein, die internationale Großfischerei aus den Gewässern vor unseren Inseln herauszuhalten, sofern sie eine erhebliche Beeinträchtigung für den Kleinwalbestand darstellen. Dies ist für die Groß-Stellnetzfischerei nachgewiesen, durch die in der südlichen Nordsee jährlich bis zu 7000 Kleinwale als unbeabsichtigter Beifang zu Grunde gehen. Auch für die Gammelfischerei wird ein schädlicher Einfluß unterstellt. Beide Fischereiarten werden ausschließlich von anderen EU-Staaten praktiziert, sodass deutsche Fischer keine Einschränkungen befürchten müssen. Im Gegenteil: das Fernhalten der internationalen Konkurrenz aus der 12-Meilenzone dürfte die Fänge heimischer Fischer eher noch stabilisieren.

Mehr Planungssicherheit für alle Für die Kommunen und Verbände auf Sylt und Amrum wird es in Zukunft früher und effektiver möglich sein, bei Eingriffs-Planungen in das Gebiet ein Wörtchen mitzureden. Die Installation von (Wind-)Kraftwerken auf See, das Umsetzen großer Kabelprojekte oder wissenschaftlicher Experimente und mögliche Ressourcennutzung oder sonstige Eingriffe im unmittelbaren Einzugsbereich der Badestrände müssen in Zukunft vor der Umsetzung auf ihre Naturverträglichkeit geprüft werden. Das gibt ein Stück mehr langfristige Sicherheit für das größte Sylter Kapital: den unverbauten Strand und freien Blick über See bei sehr guter Badewasserqualität.

Sicher vor "kanarischen Verhältnissen" am Badestrand Auch Jetskies und andere Schnellflitzer, deren Einsatz einhellig von den sylter Kommunen und Kurdirektoren abgelehnt wird, werden in Zukunft im Walschutzgebiet gebannt werden können. Bislang war es den Kommunen lediglich möglich das Lagern solcher Geräte am Strand zu verbieten, gegen einen Einsatz auf See waren den Gemeinden jedoch die Hände gebunden. Zustände wie bei Mallorca oder den Kanarischen Inseln, wo viele Badebuchten von schnellen und lärmenden Flitzern einer immer schneller werdenden Fun-Sport-Industrie heimgesucht werden, wird es auf Sylter Gewässern in Zukunft nicht geben.

Ein seitens des Naturschutzes gefordertes Tempolimit auf See wird im Walschutzgebiet zunächst noch auf sich warten lassen. Dafür ist nämlich nicht das Land, sondern der Bund zuständig, da es sich bei dem Walschutzgebiet formal um eine Bundeswasserstraße handelt. Obwohl der Bundesverkehrsminister schon vor Jahren seine Bereitschaft signalisiert hat, eine Befahrensregelung in einem neuen Walschutzgebiet zu erlassen, braucht so ein Verwaltungsprozess aller Erfahrung nach viel Zeit. Selbst ein angestrebtes Tempolimit von 12-16 Knoten würde die lokale Nebenerwerbs-und Hobbyfischerei oder den normalen Fährverkehr wohl nicht einschränken. Die neumodischen Schnellfähren mit einer Geschwindigkeit von bis zu 40 Knoten würden jedoch in den sensiblen Naturbereichen effektiv abgebremst.

Ein Plus für den Nordseeschutz
Die Schutzgebietsausweisung wird zudem den "juristischen und amtlichen Wert" des Seegebietes vor unserer Haustür erhöhen und somit zum generellen Nordseeschutz beitragen. Ein Meeresteil mit so einem Schutzstatus wird in jedem Fall höher bewertet, als ein Naturgebiet ohne Schutzprädikat. Die Hoffnung ist berechtigt, dass sich dies bei Strafmaßfestsetzungen, Kontrollausführungen und Versicherungsfällen positiv für Natur, Land, Kreis und Kommunen auswirken, z.B.

  • bessere Abschreckung illegaler Öleinleitungen, weil höhere Strafen drohen,
  • bessere Position bei Schadensersatzforderungen nach Schadstofffolgen durch Havarien, Unfällen etc. Auch die Finanzierung von gebietsfördernden Maßnahmen, wie beispielsweise der Umweltbildung, insbesonders aus Töpfen der EU, wird erst Dank einer Schutzgebietsausweisung möglich.
  • Keine  unzumutbaren Einschränkungen für Insulaner und Urlauber.



All diesen Vorteilen stehen keine Nachteile für die einheimische Bevölkerung oder den durchschnittlichen Inselurlauber gegenüber. Das liegt daran, daß die normalen touristischen Aktivitäten, wie Baden, Schwimmen, Segeln, Surfen, Angeln, Tauchen o. ä. keine erhebliche Beeinträchtigung der Kleinwale darstellen und von daher nicht gesetzlich reglementiert werden brauchen. Dies gilt auch für die Durchführung der auf Sylt so wichtigen Events, wie den World Surf-Cup oder die Hobie-Cat-Regatten.

Selbstverständlich sind auch alle Aktivitäten an Land in keinster Weise durch die Ausweisung des Walschutzgebietes betroffen.

Küstenschutz behält Vorrang Auch hinsichtlich der notwendigen Küstenschutzmaßnahmen, wie beispielsweise Sandvorspülungen besteht kein Handlungsbedarf. Schließlich existieren Kleinwale und Vorspülaktivitäten schon viele Jahre im selben Seegebiet, sodass eine erhebliche Beeinträchtigung kaum herleitbar wäre. Auch eine Belastung der Sandvorspülungen durch zusätzliche Ausgleichsmaßnahmen oder -Gelder ist nicht vorgesehen. Im übrigen, wird sowohl von den Naturschutzverbänden, als auch vom Gesetzgeber der Vorrangstatus von notwendigen Küstenschutzmaßnahmen für die Insel Sylt immer wieder betont.

Technische Ausführung per Nationalparkerweiterung Der Begriff "Walschutzgebiet" hat sich im Laufe der Diskussion für die Unterschutzstellung der offenen Nordsee vor Sylt und Amrum bereits eingebürgert. Es ist juristisch gesehen jedoch keine gültige Schutzkategorie in Deutschland. Deshalb muss die "technische Ausführung" seitens des Landes als Naturschutzgebiet oder Nationalpark erfolgen. Da sich östlich der Inseln der bereits seit 1985 bestehende Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer anschließt, macht es ökologisch und administrativ Sinn, diesen im Rahmen der Nationalparkgesetz-Novelle in Form der Zone 2 zu erweitern. Aufgrund des EU-Rechts der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH) ist die Bundesrepublik ohnehin verpflichtet, für die europaweit geschützten Schweinswale ein sogenanntes Natura 2000- Gebiet in Brüssel anzumelden, und durch eine nationale Schutzkategorie zu bewahren. Da Schweinswale in Deutschland in nennenswerten Beständen nur vor Schleswig-Holsteins Küsten vorkommen, ist unser Land verpflichtet, dies für den Bund auszuführen. Sonst drohen Bußgeldforderungen aus Brüssel, die in die Millionen gehen können.