Kaum bekannt im Watt: Sepiola atlantica

Welches Tier im Wattenmeer hat zwei Flossen, zehn Arme und einen scharfen Hornschnabel?

Richtig, ein Tintenfisch. Die Beschreibung ist aber noch unvollständig, denn mehrere Tintenfischarten können im Watt auftreten. Die hier gemeinte Art ist unter fünf cm groß - ausgewachsen, versteht sich. Die Rede ist von der Atlantischen Zwergsepia (Sepiola atlantica), die im Herbst 1999 in Schleswig-Holstein als "Neubürger" festgestellt wurde.

Im holländischen Wattenmeer und in der Deutschen Bucht ist die Art schon lange bekannt und wird gelegentlich in Grundschleppnetzen gefangen. In Niedersachsen trat sie nur in manchen Jahren auf, soll dann aber örtlich so häufig gewesen sein, dass beim Krabbenfang die Garnelen von der Tinte eingefärbt wurden. An den britischen Küsten ist die Zwergsepia verbreitet auf Sand- und Felsgrund anzutreffen. Nun wurden im September 1999 auch im Wattenmeer zwischen Pellworm und Hallig Hooge sieben Zwergsepien bei meereskundlichen Kutterfahrten mit einer Baumkurre gefangen. In einem Fall waren sogar drei Exemplare gleichzeitig im Netz. Auch die Bundesforschungsanstalt für Fischerei hat die Art letzten Herbst in Nordfriesland festgestellt.

Zwergsepien zeigen wie alle Kopffüßer vielfältige Verhaltensweisen. Im Aquarium ruhen sie meist halb oder ganz vergraben im Sand, wobei stets die Augen herausschauen. Die Farbflecken (Chromatophoren) in der Haut bieten oft ein atemberaubendes Schauspiel von Flimmereffekten und blitzschnellen Farbumschlägen. Meist nehmen die Tiere die Farbe des Untergrundes an, doch können sie auch ganz dunkel, golden gefleckt oder fast weiß sein. Blässe scheint ein Zeichen von Unwohlsein zu sein, während Dunkelfärbung u.a. bei direkter Sonneneinstrahlung auftritt. Die Tiere besitzen sogar Leuchtorgane, die jedoch von uns nicht in Aktion beobachtet werden konnten.

Bei Erregung schweben die Sepien knapp über dem Grund und halten sich durch ständigen Flossenschlag sowie 80-100 Wasserstöße pro Minute aus ihrem Atemtrichter in der Schwebe. Der unter dem Kopf befindliche Trichter kann in viele Richtungen bewegt werden und wirkt als Düsenantrieb. Angegriffene Zwergsepien schießen damit ruckartig in fünf cm langen "Sprüngen" davon. In größter Gefahr geben sie eine etwa körpergroße Tintenwolke ab. Diese "Finte aus Tinte" soll den Blick auf das Tier versperren und ihm die Flucht erlauben. In einem Fall wurde festgestellt, dass eine aus dem Wasser genommene Sepia mit ihrem zwischen den Fangarmen sitzenden Schnabel zu beißen versuchte.

Im Aquarium fraßen die Sepien drei cm lange Grundeln, pro Tag und Sepia etwa eine halbe Grundel. Auch Garnelen sind beliebte Beuteobjekte. Das Auftreten der Zwergsepia in Schleswig-Holstein zeigt einmal mehr, was für schöne Überraschungen die Nordsee parat hat. Was gäbe es wohl alles an ungewöhnlichen Arten zu beobachten, wenn man festsitzende Bodentiere und langsam wachsende Fische in größeren Gebieten unbefischt lassen würde?

Nachfragen zu diesem Thema beantwortet Dipl.Biol. Lothar Koch (Tel. 04651/26088)