Meeresschutz in der Nordsee braucht Druck

Schattenliste zeigt Defizite auf (Artikel aus "wattenmeer" Heft 2015, Nr. 1)

 

Zwölf Seemeilen vor der Küste endet der Einfluss der Bundesländer und ihrer Nationalparks, und es beginnt Deutschlands „Ausschließliche Wirtschaftszone“ (AWZ). Etwa 30 Prozent dieser Zone sind von der Bundesregierung unter Federführung des Umweltministeriums als EU-Schutzgebiete nach den Habitat- oder Vogelschutz-Richtlinien angemeldet worden. Das ist gut. Es gibt seit 2011 konkrete Managementpläne, wie der Meeresschutz und insbesondere die Fischerei in diesen Schutzgebieten aussehen sollten. Das ist auch gut. Diese Managementpläne hätten der EU zur Zustimmung vorgelegt und bis 2013 in nationales Recht umgesetzt werden müssen - sind sie aber nicht. Das ist kläglich. Und so klagen die Umweltverbände vor Gericht, und zwar gegen die Bundesregierung wegen Nichterfüllung ihrer Schutzverpflichtungen. Parallel bereitet die EU ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik vor – einmal mehr blamiert Deutschland sich durch verzögerte Umweltgesetzgebung.

Das Problem liegt beim Ernährungsministerium, das alle Fortschritte im Meeresschutz, die eventuell zu Lasten „seiner“ Fischer gehen könnten, massiv blockiert. Dabei scheint es vor allem um alte Glaubensfragen zu gehen, nicht um Tatsachen. Viele aktuelle Untersuchungen belegen, dass Schutzgebiete auch dem Fischnachwuchs und damit der Fischerei dienen. Wenn Fanggebiete kleiner werden, kann der Fang durchaus steigen.

Noch komplizierter wird es, weil die Offshore-Windparks in der AWZ von einem dritten Bundesministerium, nämlich dem Verkehrsressort geplant und genehmigt werden. Dieses Ministerium hat eine Raumplanung für die AWZ durchgeführt, in der Schiffsverkehr, Windparks, Pipelinebau, Militärübungen, Rohstoffabbau, Naturschutz und Fischerei gemeinsam hätten beplant werden können. Sind sie aber nicht. Der Verkehrsminister hat nur „seine“ Themen, also Schiffe und Windräder geregelt, und damit herrscht weiterhin fröhlicher Wildwuchs in der Beplanung der deutschen Nordsee. Sand-, Gas- und Ölförderung sollen auch in FFH-Schutzgebieten möglich bleiben.

Da solche Sandkisten-Rangeleien zwischen nationalen Ministerien trauriger Alltag sind, hat die EU ihre Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie erlassen, in der die Staaten sich verpflichtet haben, bis 2020 einen „guten Umweltzustand“ der Meere zu erreichen. Schon die von Deutschland vorgelegte Definition dieses guten Zustandes wurde allerdings von der EU bezüglich der Artenvielfalt und des Schutzes des Meeresbodens als „nicht hinreichend ambitioniert“ zurückgewiesen. Kein guter Start.

Da auch die Umweltverbände sehr besorgt sind, ob Deutschland mit der nötigen Ernsthaftigkeit an der Verbesserung des Zustandes der Nordsee arbeitet, haben acht Umweltverbände, darunter auch die Schutzstation Wattenmeer, eine „Schattenliste“ erstellt, die die Defizite bei der Umsetzung der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie aufzeigt.

Außerdem wurden die drei am Meeresschutzdilemma beteiligten Bundesministerien in Briefen aufgefordert, sich endlich gemeinsam zu bemühen, dass der 2015 zu beschließende Maßnahmenkatalog für den Meeresschutz auch tatsächlich Wirkungen entfalten kann.

Die Schutzstation Wattenmeer unterstützt die federführend vom BUND durchgeführte Kampagne für einen wirksamen nationalen Meeresschutz. Die Nordsee hat es nötig.

Die Schattenliste steht hier in einer kurzen und einer langen Version zum Download bereit.

Aufbau eines Windparks.