Aktuelle Ölverschmutzung im Wattenmeer - Tausende von Seevögeln sterben

Seit dem 5.2.2004 wurden an mehreren Stellen des Nationalparks Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer verölte Vögel in größerer Zahl gefunden. Inzwischen sind mehrere hundert Vögel gestorben, zusammen mit den beobachteten und noch lebenden Vögeln sind nach aktuellem Stand mindestens 3200 Tiere betroffen.

Etwa 80 % der verölten Vögel sind Trauerenten. Diese Art überwintert stellenweise in größerer Zahl in den flachen Nordsee unmittelbar vor dem Wattenmeer und kommt dort immer wieder mit Öl in Berührung. Es ist bekannt, dass dieses in den meisten Fällen keineswegs bei Unfällen frei wird, sondern in der Regel absichtlich im Zuge illegaler Abfallbeseitigung oder von Tankwaschungen in die Nordsee gelangt. Auch im vorliegenden Fall ist von einer derartigen Handlung auszugehen.

Die Schutzstation Wattenmeer muss zum wiederholten Mal feststellen, dass es nach dem Eintreten solcher Ölverschmutzungen nur außerordentlich wenige sinnvolle Handlungsmöglichkeiten gibt. In der Regel kann nur das Öl am Strand aufgesammelt und das Elend der Vögel dokumentiert werden. Auf sinnvolle Weise kann man den verölten Vögeln allenfalls in Einzelfällen helfen, denn die Prozedur des Fangs, der Reinigung und der anschließenden Haltung solcher Vögel wäre eher eine Fortsetzung der Qual als eine Hilfe, bedenkt man, dass nach den bisherigen Erfahrungen eine biologische Wiedereingliederung der Tiere in die Wildpopulation bei den bei uns vorkommenden Arten von Seevögeln praktisch nicht möglich ist. Der wissenschaftliche Sachstand hierzu ist in jüngerer Zeit umfassend zusammengestellt worden (1).

Aus diesem Grund wird von der Schutzstation Wattenmeer ebenso wie von allen anderen Naturschutzorganisationen und -behörden an der deutschen Küste empfohlen, das Leid unrettbar verölter Tiere lieber schnell und schmerzlos zu beenden. Ein Grund für dieses Handeln ist auch im Tierschutzgesetz zu suchen, denn nach § 1 sind die Leiden von Tieren so gering wie möglich zu halten. Das Land Schleswig-Holstein hat 1999 für diese Situation eine Handlungsanweisung herausgeben, in der das Verfahren zum Umgang mit verölten Vögeln geregelt ist. Danach ist von qualifiziertem Personal zu entscheiden, ob

    * sie am Ort zu belassen sind, weil sie so vermutlich am wenigsten leiden
    * sich die Überlebenschancen durch eine Überführung in eine Vogelpflegestation mit hoher Wahrscheinlichkeit verbessern würden
    * sie offensichtlich erheblich leiden, kaum Überlebenschancen bestehen und sie getötet werden sollten.

Qualifizierte Personen sind solche,

    * die im Rahmen ihrer Ausbildung gelernt haben, den körperlichen Zustand von Tieren zu beurteilen und die eine tierschutzgerechte Tötung vornehmen können, z.B. Tierärzte, Zoologen, Jäger und Tierpfleger
    * die von einem beamteten Tierarzt dazu ausgebildet wurden (u.a. Zivildienstleistende im Rahmen ihrer Ausbildung).

Die Schutzstation hält sich an diese Richtlinie und handelt in Übereinstimmung (und bei Notfällen auf Anforderung) mit den Behörden.

Die Schutzstation Wattenmeer respektiert jene Menschen, die aus persönlichen Gewissensgründen für sich eine andere Entscheidung treffen und sich mit viel Kraft für eine Reinigung der verölten Vögel einsetzen. Sie kann es jedoch aus den oben genannten Gründen als Organisation nicht verantworten, bei unrettbar verölten Tieren so zu handeln und im Ergebnis doch nur das Leid der Tiere zu verlängern. Dennoch wird es letztlich der persönlichen Gewissensentscheidung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter überlassen, ob sie entsprechend dieser sachlichen Kriterien handeln - eine "Anweisung" zum Töten von verölten Vögeln gibt und gab es in der Schutzstation Wattenmeer nicht.

Sie bittet alle Tierfreunde, denen das Leid der verölten Vögel ebenso an das Herz geht wie denen, die in der Schutzstation Wattenmeer einen großen Teil ihrer Kraft für die Erhaltung des Wattenmeeres geben, sich mit der Schutzstation zusammen für ein Abstellen der Ursachen der immer wiederkehrenden Ölverschmutzung unsere Meeres einzusetzen. Nur so kann man den Vögeln wirklich helfen - da wirksame Hilfe nach dem Auftreten von Ölverschmutzungen, kaum möglich ist, gilt es alle Kräfte auf ihre Verhinderung zu richten.

Was tun?

Schleichende Ölpest
Das zentrale Problem bei der ständig (und auch in diesem Fall) auftretenden sog. "schleichenden Ölpest" ist, dass es sich leider immer noch "lohnt", illegal Öl auf See zu entsorgen, weil ehrliche Kapitäne durch höhere Hafengebühren dafür "bestraft" werden, dass sie ihre Ölabfälle ordnungsgemäß in den Häfen entsorgen. Auch eine neue EU-Richtlinie zur Hafenentsorgung hat diese Probleme noch nicht beseitigt, denn sie stellt nur Teil der Hafenentsorgung für die Kapitäne kostenneutral. Will man der schleichenden Ölpest endlich Herr werden, muss diese EU-Richtlinie angepasst werden, um dann einheitlich in allen europäischen Häfen konsequent zur Umsetzung zu gelangen. Auch die Überwachung der Meeresgewässer aus der Luft, die Sicherstellung von beweiskräftigen Proben und die Strafverfolguing der Verantwortlichen muss verbessert werden.

Ölpest nach Unfällen
Bekannte Beispiel hierfür waren "Exxon Valdes", "Pallas", "Erika" und "Prestige". Das zentrale Problem hier ist letztlich, dass im Wettbewerb um den billigsten Transport die Sicherheit auf der Strecke bleibt, also Schiffe zu alt sind oder nicht gepflegt werden, Sicherheitseinrichtungen fehlen, oder die Besatzung zu klein oder zu schlecht ausgebildet ist. Grund ist, dass die Versicherungssummen für Schiffsunfälle nach oben gedeckelt sind. So wurden in der Praxis bei Ölunfällen nur ein Bruchteil der Kosten gedeckt. Die meisten Schäden gingen zu Lasten der Natur, der betroffenen Menschen und der Steuerzahler. Über diese Pflichtversicherung hinaus gibt es zwar einen Entschädigungsfonds der Ölgesellschaften, aber auch der deckte in der Vergangenheit nur einen Bruchteil der Kosten, im Fall der Prestige 175 Millionen Euro. Zudem muss ein Ausgleich für die Schäden in der Natur ebenso wie alle Kosten für die Helfer in die Schadensbilanz aufgenommen werden, ebenso sämtliche Ausfälle für Wirtschaftszweige wie Fischerei und Tourismus. Die Schutzstation Wattenmeer fordert, weltweit eine nach oben unbegrenzte Haftpflicht für Seetransporte einzuführen - erst wenn den Reedern die Versicherungen im Nacken sitzen und nur sichere Schiffe noch günstige Prämien bekommen können, werden auch marktwirtschaftliche Anreize dafür sorgen, dass die Verantwortlichen unsichere Schiffe aus dem Verkehr ziehen. Die Überwachung und schnelle Hilfe bei Havarien darf man dabei nicht vergessen - Verbesserung der Küstenwache, leistungsfähige Bergungsschlepper, Lotsenpflicht auf vielbefahrenen Strecken und großräumige Überwachung sind Stichworte hierfür (2)

(1) vgl. die Veröffentlichung Fleet, D.M. & B. Reineking (2000): Überlebenschancen verölter Seevögel - sind Rettungsmaßnahmen erfolgreich? Natur und Landschaft 75: 364-369. Bezugsquelle: Wattenmeersekretariat, Virchowstr.1, 26382 Wilhelmshaven, reineking@cwss.whv.net

(2) vgl. die Veröffentlichungen des WWF zum "PSSA Wattenmeer": Hier als Download.

WWF zum Thema Schiffssicherheit: Hier als Download