Gert Oetken - Leben und Wirken

Den Tod ihres Ehrenvorsitzers Gert Oetken am 22. September 2016 haben Vorstand, Freunde und Mitglieder der Schutzstation Wattenmeer mit großer Trauer zur Kenntnis nehmen müssen. Mit ihm verliert der ehrenamtliche Naturschutz in Deutschland eine große Persönlichkeit. Auf der Trauerfeier am 4. Oktober 2016 in der Rendsburger Christkirche würdigte Umwelt-Staatssekretärin Silke Schneider die Verdienste des im Alter von 83 Jahren verstorbenen: „Es gibt wenige Menschen in unserem Land, die über ein halbes Jahrhundert ehrenamtlich tätig sind und Spuren hinterlassen, wie es bei Gert Oetken der Fall ist. Seine Leistungen für den Naturschutz im Wattenmeer sind in ihrer Fülle und Wirkmächtigkeit kaum zu beschreiben.“


Gert Oetken wurde 1932 in Rendsburg geboren, ging dort zur Schule und studierte danach Zahnmedizin in Hamburg. Schon als Jugendlicher war er im Deutschen Jugendbund für Naturbeobachtung (DJN) aktiv (1957 – 1958 DJN-Bundesvorsitzender).

Mit Freunden aus dieser Zeit entstand zunächst 1962 die Arbeitsgemeinschaft „Schutzstation Wattenmeer“ und 1963 die Naturschutzgesellschaft Schutzstation Wattenmeer als eingetragener Verein. Gert Oetken wurde ihr Vorsitzer und blieb es 47 Jahre lang bis 2009.

Die neu gegründete Vereinigung – gleichzeitig ein enger Freundeskreis – ging mit großem Elan an die Arbeit: beobachtete, zählte, kritisierte und kreierte einen neuen, den pädagogischen Naturschutz. Durch Naturerlebnisse und biologische Kenntnisse sollten Verantwortung und Begeisterung für die Natur gebildet werden. Ein Konzept, mit dem die Schutzstation bis heute jedes Jahr 100.000fach Besucher des Wattenmeeres an die Natur heranführt.


In den vielen Jahren seines Vereinsvorsitzes hat Gert Oetken unablässig Ideen für einen gezielten, großräumigen Naturschutz eingebracht, musste dafür in vielen denkwürdigen Begegnungen aber auch mancherlei Kritik und Gegenwind erfahren. Dennoch, der Erfolg gab im recht: Aus dem Vorschlag für ein „Großreservat Halligmeer“ wurde der Nationalpark, aus der Eindeichung der Nordstrander Bucht ein exzellentes Naturschutzgebiet und aus dem ersten bescheidenen Infozentrum auf Hallig Hooge entstand die heutige Kette von Stationen, Informationszentren und Seminarhäusern zwischen Sylt und Friedrichskoog.
Gert Oetken war bei den Entscheidungen des Vereins immer Motor und Mittelpunkt. „Er war ein bescheidener Mann, der immer die Sache, aber nie seine Person in den Vordergrund stellte. Ein Mann mit sprudelnden Ideen“, sagte Staatssekretärin Schneider über den Ehrenvorsitzer. Ein Meilenstein waren seine Verhandlungen, mit denen er erreichte, dass Zivildienstleistende – zunächst in einem Modellversuch – im Natur- und Umweltschutz eingesetzt werden durften.


Der Vorsitz brachte eine Vielzahl von Mitgliedschaften in Gremien, Kuratorien und Ausschüssen mit sich, in denen er unermüdlich, oft aber auch unbequem hartnäckig, die Sache des Naturschutzes und die Anliegen des Vereins vertrat. Die Verpflichtungen waren zeitraubend und oft schwer mit seiner großen Familie und der Zahnarztpraxis zu vereinbaren. Dies konnte nur gelingen, weil seine Frau Ursula ihn immer mit Rat und Tat unterstützte und die Geschäftsstelle des Vereins bis zum Umzug in das Nationalparkhaus in Husum (2010) in der Nähe war. Das Engagement der Familie Oetken fand ungeteilte Bewunderung und Anerkennung. Unvergessen bleibt den vielen Freunden, dass nach getaner Arbeit, Diskussion oder Aufregung Gert oft zur Ukulele griff und dann bis in die Nacht gemeinsam gesungen und gefeiert wurde.


Hallig Hooge blieb indes für ihn und seine Familie immer Fluchtpunkt und Erholungsort. Hier schließt sich der Kreis: Sein letzter Urlaub führte ihn nochmal für einen Tag auf die geliebte Hallig; er wurde mit dem Rettungshubschrauber nach Heide geflogen, wo er im Westküstenklinikum verstarb. Für sein Lebenswerk und seine ehrenamtlichen Leistungen wurde Gert Oetken mit dem Bundesverdienstkreuz, dem Deutschen Bürgerpreis, der Goldenen Ringelgansfeder und weiteren Preisen geehrt und ausgezeichnet. Mit den Worten von Staatssekretärin Silke Schneider: „Ich verneige mich tief vor der Lebensleistung von Gert Oetken.“

 

(aus "wattenmeer" 2016, Heft 4)