Alt, älter, uralt
Schildkröten und Plastik am Strand
Schildkröten können sehr alt werden, zumindest Landschildkröten weit über 100 Jahre. In diesem und im vorigen Winter häufen sich nun die Funde von im Wattenmeer angespülten Reptilien. Allein seit Weihnachten wurden auf Sylt, Amrum und Föhr sowie vor St. Peter-Ording fünf "Unechte Karettschildkröten" gemeldet, zwei davon noch lebend. Alle Beobachtungen sind hier im Strandfunde-Internetportal BeachExplorer aufgeführt.
Mit Größen zwischen 40 und 65 Zentimetern dürften die Tiere erst wenig Jahre alt sein. Viel älter hingegen sind manche andere Strandfunde. So scheint eine Flasche Sonnenmilch mit "Schutzfaktor 3", die diese Woche in den Salzwiesen vor Eiderstedt lag, etwa 50 Jahre alt zu sein. Jedenfalls zeigt eine im Internet gefundene Werbeanzeige von 1974 eine Flasche genau in diesem Design. Ältere hatten oft noch gar keine Angabe zum Schutzfaktor. Ab Mitte der 70er stieg der Faktor schnell auf 6 oder 10.
Was haben Schildkröten und Plastikmüll miteinander zu tun? Die plötzliche Zunahme der Funde der Reptilien bei uns dürfte mit der Klimakrise und steigenden Temperaturen in der Nordsee zusammenhängen. Im Sommer ist diese jetzt so warm, das die Tiere problemlos aus dem Atlantik vor Frankreich einwandern können. Im Winter kühlt sie allerdings als flaches Randmeer so schnell aus, dass offenbar viele Schildkröten von der Kälte gelähmt oder bereits tot an die Küste getrieben werden. Der Wechsel steigender Sommertemperaturen und weiterhin lebensgefährlicher Winterkälte macht die Nordsee offenbar zu einer Falle für die Tiere. Sollten erfrierende Schildkröten künftig an unseren Stränden noch häufiger werden?
Wie die Meereserwärmung ist auch Plastikmüll am Strand ein Symptom der nahezu ungebremsten Nutzung fossiler Rohstoffe durch den Menschen. Die weltweite Produktion von Kunststoffen hat sich seit Mitte der 1970er-Jahre auf heute über 400 Mio. Tonnen verachtfacht. Es ist konkretes Handeln nötig, damit in wiederum 50 Jahren nicht auch das Achtfache an Müll in einer viel zu warmen Nordsee treibt!
Beobachtungen seltener Tiere dürfen ebenso wie von besonderem Müll gern im Strandfunde-Internetportal BeachExplorer gemeldet werden.
PS: Die beiden auf Sylt und Amrum lebend gefundenen Tiere werden zurzeit im Sylt-Aquarium aufgepäppelt.
Die toten sollen demnächst im Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung (ITAW) genauer untersucht werden.