Die Seehundseuche breitet sich aus - Pelzindustrie verantwortlich?

Nach Auskunft des internationalen Wattenmeersekretariates ist das Seehundstaupevirus inzwischen vom europäischen Festland auf die englische Ostküste übergesprungen. In der wattähnlichen Bucht "The Wash" fanden Wissenschaftler jetzt 5 infizierte Seehunde. Auch die belgische Küste ist betroffen. Wie durch ein Wunder wird der Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer bislang vom Seehundsterben verschont.

Im holländischen Watt wurden bis Mitte August 395, im niedersächsischen 197 und im Kattegat 3300 Seehund-Kadaver gefunden. Stichprobenartige Untersuchungen bestätigten in zahlreichen Kadavern das PDVirus. Jetzt sollen auch erstmals Robben von Helgoland untersucht werden. Dort halten sich zur zeit rund 400 Seehunde auf.

Das Seehundsterben in Dänemark könnte nach Auffassung der Seehund-Expertin Ursula Siebert vom Fortschungs-und Technologiezentrum Westküste und auch schwedischer Wissenschaftler auf die Übertragung von Staupe-Viren durch Zuchtnerze zurückzuführen sein.

In dem Nachbarland sind Zahl und Dichte von Nerzfarmen auch unmittelbar an den Küsten erschreckend hoch. Dänemark ist nun bereits zum zweiten Mal, wie 1988, Ausgangspunkt der Seuche. Nerze sind sehr empfänglich für das Staupe-Virus und stehen den Robben entwicklungsgeschichtlich nahe: "Da ist ein Zusammenhang sehr plausibel.", so Siebert.

Die Idee sei nicht ihre eigene und unter Forschern nicht neu, sagte Siebert: "Sie ist schon beim ersten Seehundsterben aufgekommen und intensiv diskutiert worden." Auch jetzt wieder, nach den ersten Totfunden Ende Mai auf der Insel Anholt, werde diese Möglichkeit geprüft. Staupe ist nach Informationen der Tierärztin eine Virus- Erkrankung, die in unterschiedlichen Erscheinungsformen alle Fleischfresser befallen kann. Bei Nerzen sei die Durchseuchung sehr hoch, besonders bei Zuchthaltung. Wenn Nerzkadaver ins Ostseewasser kommen, ist es gut denkbar, dass die verspielten Seeehunde damit in Kontakt kommen und sich infizieren, heißt es in einer Mitteilung schwedischer Wissenschaftler. Sie weisen auch darauf hin, dass die Hypothese von 1988, virentragende Sattelrobben aus dem Nordmeer hätten den Virus ins Gebiet gebracht, diesmal weitgehend ausscheiden würde, weil gar keine Sattelrobben hier waren.

Bei aktuellen Analysen von eingefrorenen Seehundkadavern aus den letzten elf Jahren wurde kein Staupevirus gefunden. Das zeigt, dass sich die zur Zeit grassierende Krankheit auch nicht über die letzten 14 Jahre schleichend im Bestand gehalten hat, sondern dass es mit großer Wahrscheinlichkeit eine Neuinfektion in diesem Jahr gab.

Sollte sich der Verdacht bestätigen, dass Nerzfarmen die Auslöser des Seehundsterbens sind, wäre es nach Ansicht der Schutzstation Wattenmeer erneut die Pelzindustrie, die für den Massentod von Robben verantwortlich wäre - diesmal nicht bewusst durch Bejagung, sondern indirekt durch Massentierhaltung und die daraus resultierenden Folgeschäden.