Ohne Naturschutzvereine kein Nationalpark

Fachtagung zur Rolle des Ehrenamts im Wattenmeer-Schutz

Johann Waller, Vorsitzer der Schutzstation Wattenmeer, eröffnete die Tagung in Breklum

Ohne engagierte Ehrenamtler gäbe es den Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer wohl nicht, jedenfalls nicht seit 30 Jahren und in seiner jetzigen Struktur. Auf diese Formel konnten sich die Protagonisten einer Tagung unter dem Titel „Mit uns für das Watt“ im Christian Jensen Kolleg in Breklum einigen. Im Mittelpunkt standen dabei die Geschichte des Naturschutzes im schleswig-holsteinischen Wattenmeer von den Anfängen bis zur Nationalparkgründung sowie die Rolle der damals weitgehend ehrenamtlich organisierten Verbände bei dieser Entwicklung. Die Veranstaltung bildete den inoffiziellen Auftakt der Feierlichkeiten zum 30-jährigen Nationalpark-Jubiläum und zugleich die vorläufige Bilanz eines seit 2012 laufenden Zeitzeugenprojektes der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) und der Schutzstation Wattenmeer.
 
So viele Zeitzeugen würden wohl kaum wieder zusammenkommen, sagte der Vorsitzende der Schutzstation Wattenmeer Johann Waller in seiner Begrüßung und erläuterte die Geschichte des Vereins und dessen Anliegen eines „pädagogischen Naturschutzes“. Bei allen Gemeinsamkeiten mit anderen Nationalparks – der ehrenamtliche Naturschutz sei ein Alleinstellungsmerkmal in Schleswig-Holstein, betonte der Leiter der Nationalparkverwaltung Dr. Detlef Hansen in seinem Grußwort. In Gesprächsrunden, Vorträgen und Statements einzelner Akteure wurde dann an die Vorgeschichte des Nationalparkes erinnert – aus den unterschiedlichen Perspektiven von Praktikern (Naturschützer vor Ort) und Planern (in Ministerien und Landesverwaltung).
 
Als „Gesamtschau aller Fakten“ bezeichnete Projektleiter Prof. Hans-Peter Ziemek von der Gießener Universität diesen Tag mit rund 100 Teilnehmern – „alten Kämpen“ ebenso wie ihren jüngeren Nachfolgerinnen und Nachfolgern. Beleuchtet wurde dabei der lange Weg von ersten Ideen zum Schutz des Lebensraumes Wattenmeer etwa als „Großreservat Halligmeer“ oder „Nationalpark Halligen“ bis hin zur Gründung des Nationalparkes zum 1. Oktober 1985. Beleuchtet wurde die tragende Rolle der 1962 gegründeten Schutzstation Wattenmeer – des heute im Nationalpark am stärksten vertretenen betreuenden Naturschutzverbandes –, aber auch anderer wie des WWF (World Wide Fund for Nature) und des bereits 1907 gegründeten Vereins Jordsand. Beleuchtet wurden die Beweggründe der damals aktiven Ehrenamtler, die ihre Aufgaben „freiwillig, bedingungslos und freudig“ erfüllt hätten, wie Hans Otto Meier, Mitinitiator und heute im Ältestenrat der Schutzstation, versicherte. Beleuchtet wurde auch die parallele Entwicklung in Niedersachsen, das ein Jahr nach Schleswig-Holstein „seinen“ Wattenmeer-Nationalpark schuf.
 
Und beleuchtet wurden einige vielleicht überraschende politische Hintergründe. Denn während zum Beispiel mancher Beteiligte gerätselt haben mag, was die Landesregierung Anfang der 1980er Jahre dazu bewegt hatte, die 1976 wegen heftiger Widerstände vor Ort ad acta gelegten Planungen für einen Nationalpark wieder aufzunehmen, hatte Peter-Uwe Conrad dafür eine ganz simple Erklärung parat: Es sei der Ehrgeiz des jungen Ministerpräsidenten Uwe Barschel gewesen, der sich von den ebenfalls mit Nationalparkkonzepten beschäftigten Niedersachsen „nicht die Schau stehlen lassen wollte“, so die Einschätzung des damaligen Abteilungsleiters im Landwirtschaftsministerium.
 
Heute, im Jahr seines 30jährigen Bestehens, gehört der Nationalpark Wattenmeer in Schleswig-Holstein zu den sowohl in der Politik als auch in der Region hoch geschätzten Errungenschaften, und die Auszeichnung des gesamten Wattenmeeres von den Niederlanden bis Dänemark als Weltnaturerbe setzt der Entwicklung die Krone auf. Viele Faktoren – Zufälle, engagierte Einzelpersonen, persönliche Interessenlagen – hätten dazu beigetragen, das möglich zu machen, so das Fazit von Hans-Peter Ziemek: „Es hätte auch anders kommen können.“ Dass es so kam, sei ein wesentliches Verdienst der Naturschutzverbände.

Staatssekretär i.R. Peter Uwe Conrad (rechts mit Projektleiter Prof. Dr. Hans-Peter Ziemek): "Ministerpräsident Uwe Barschel wollte sich von Niedersachsen nicht die Schau stehlen lassen."