Wattenmeerstrategie 2100

Damit das Watt nicht untergeht

Wer nich will dieken, de mutt wieken. So hieß es jahrhundertlang an der Wattenmeerküste. Wenn ein Deichanlieger seinen Pflichten nicht nachkam, musste er sein Land aufgeben und ein anderer konnte den Besitz übernehmen.


Über das „Wie und Wo“ des Deichbaus wurde heftig gestritten. So kennt es jedes norddeutsche Schulkind aus Storms Novelle „Der Schimmelreiter“. Anfang der 1980er Jahre standen sich Küsten- und Naturschutz unversöhnlich gegenüber, als es um die Frage ging, wie die Deichlinie nördlich der Insel Nordstrand verlaufen sollte. Achtmal traf man sich vor Gericht. Heraus kam mit der „kleinen Lösung“ ein Kompromiss, der nicht die gesamte Wattfläche der Nordstrander Bucht verschwinden ließ. 3.350 Hektar waren es, die als eingedeichter Beltringharder Koog unter Naturschutz gestellt und nicht wie ursprünglich geplant zu Ackerland wurden. Mit dieser Lösung entstand ein Klima, das die Bevölkerung aufnahmebereit für einen Nationalpark Wattenmeer machte.


Abweichende Interessenlagen haben Küsten- und Naturschutz auch heute. Die Auswirkungen des Klimawandels mit einem möglichen Meeresspiegelanstieg von bis zu 0,8 Meter bis 2100 haben jedoch eine Form der Zusammenarbeit zustande kommen lassen, die früher undenkbar schien.


Seit zwei Jahren arbeitet, initiiert und gelenkt vom Kieler Umweltministerium, eine Projektgruppe aus Fachleuten sowohl aus der Küstenschutz- und Nationalparkverwaltung des Landes als auch aus nichtstaatlichen Organisationen an den Fragestellungen, ob und in welchem Maße das Wattenmeer mit dem steigenden Meeresspiegel mit in die Höhe wachsen kann. Was passiert, wenn die Grenzen für dieses natürliche Mitwachsen erreicht sind? Welche Anpassungsmaßnahmen werden erforderlich? Wie wirkt sich der Meeresspiegelanstieg auf die Tier- und Pflanzenwelt des Wattenmeers aus? Nun liegen die Ergebnisse auf dem Tisch und werden Richtschnur künftiger Fachplanungen im Nationalpark sein.


Von Anfang an war die Schutzstation Wattenmeer mit dabei. In der „Strategie Wattenmeer 2100“ wird das gemeinsame Leitbild und Entwicklungsziel formuliert: „Das Wattenmeer in seiner Einzigartigkeit mit seiner charakteristischen Dynamik und in seiner Funktion für den Schutz der Küste und für den Menschen langfristig zu erhalten.“


Wir haben die Chance genutzt, frühzeitig die Interessen des Ökosystems Wattenmeer einbringen zu können und sie nicht wie in den 1980er Jahren hinterher vor dem Kadi erstreiten zu müssen, was an anderer Stelle leider weiterhin erforderlich ist. Als Anwalt für einen Lebensraum werden wir nicht locker lassen und alles für den Schutz und Erhalt dieser einmaligen Landschaft unternehmen. Wenn es geht im Gespräch, zur Not aber auch vor Gericht.


Johann Waller, Vorsitzer der Schutzstation Wattenmeer

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