Bald Jagd auf Trauerenten und Nonnengänse im Wattenmeer?

Geplante Ausweitung der Jagd wäre ein herber Rückschlag für den Artenschutz

 

Die Schutzstation Wattenmeer und die Umweltstiftung WWF kritisieren die geplante Ausweitung der Jagd in Schleswig-Holstein. Ein aktueller Verordnungsentwurf des Landwirtschaftsministeriums sieht vor, dass künftig mehr Tiere bejagt und die Jagdzeiten erheblich ausgedehnt werden. Der Entwurf liegt bis Anfang September zur Stellungnahme aus, die Verordnung könnte noch in diesem Jahr in Kraft treten. Die beiden Umweltverbände fordern, dass die geltende Jagdverordnung von 2002 beibehalten wird. "Die zurzeit gültige Jagdzeitenverordnung ist ein vernünftiger Kompromiss zwischen den Anliegen der Jäger und denen des Natur- und Tierschutzes. Setzt sich der neue Entwurf durch, werden nur noch die Jagdinteressen im Land regieren", kritisiert Dr. Hans-Ulrich Rösner vom Projektbüro Wattenmeer des WWF in Husum.

Die bisher gültige Jagdzeitenverordnung des Landes Schleswig-Holstein gilt bundesweit als fortschrittlich. Sie beschränkt die Jagd auf solche Arten, die tatsächlich verwertet werden und die gesicherte Bestände aufweisen. Zudem verbietet sie zum Beispiel, dass Vögel in der Mitte des Winters gejagt werden dürfen. Zu dieser Zeit sind die Lebensbedingungen der Tiere durch Schnee und Eis besonders erschwert. In dem neuen Entwurf sollen die Jagdzeiten in Schleswig-Holstein nun an die veraltete Bundesjagdzeitenverordnung aus den 1970er Jahren angepasst werden. "Eine solche Verordnung widerspricht den aktuellen ökologischen Erkenntnissen", stellt Rösner klar. "Die geplante Jagdzeitenverordnung wäre ein Schnellschuss, der fachlichen Begründungen entbehrt", kritisiert Silvia Gaus, Biologin bei der Schutzstation Wattenmeer in Husum.

Die neue Regelung sieht vor, dass beispielsweise Trauerenten und Möwen wieder gejagt werden dürfen. Sie gehören zu den Arten, die weder verzehrt noch einer anderen sinnvollen Nutzung zugeführt werden. Außerdem besteht nach Ansicht der beiden Verbände kein Anlass, die zum Teil ohnehin rückläufigen Bestände durch Jagd zu regulieren. Bei vielen Enten und Gänsen, die nun stärker bejagt werden sollen, handelt es sich zudem um Zugvögel, für die Schleswig-Holstein mit seinen vogelreichen Feuchtgebieten eine besonders hohe Verantwortung trägt. "Man kann nicht die Italiener für die Jagd auf ziehende Singvögel anprangern und dann hier ohne triftigen Grund andere Zugvögel schießen", meint Silvia Gaus. Völlig unverständlich sind für die Umweltschützer die Ausweitungen der Jagdzeiten auf bedrohte Vogelarten wie Rebhuhn und Waldschnepfe sowie die geplante Bejagung des winzigen Mauswiesels.

Für sehr problematisch halten Schutzstation Wattenmeer und WWF die Ausdehnung der Jagd auf Nonnengänse auf so genanntem Grünland (Wiesen und Weiden). Nonnengänse leben im jahreszeitlichen Wechsel vor allem auf den Salzwiesen des Nationalparks Wattenmeer und in den angrenzenden Marschgebieten. Um Schäden durch die Pflanzen fressenden Gänse in der Landwirtschaft zu vermeiden, wurde 2002 erlaubt, Nonnengänse auf Raps- und Weizenäckern, nicht jedoch auf Grünland, zu jagen. "Wenn die neue Regelung in Kraft tritt, werden die Nonnengänse zwischen Grünland und Ackerflächen hin und her gescheucht. Dabei wäre es viel sinnvoller, die Gänse weiterhin auf dem Grünland zu dulden, um die wirtschaftlichen Schäden auf den Äckern möglichst gering zu halten", betont Silvia Gaus. Die Biologin empfiehlt, die auf Grünlandflächen entstehenden Schäden im Rahmen der Landwirtschaftsförderung auszugleichen. "Fraglich ist, wie Schleswig-Holstein sein Profil als Reiseziel für Natur liebende Touristen aufrechterhalten will, wenn man die beliebten Gänse vertreibt oder sie so scheu macht, dass man sie kaum noch beobachten kann", meint Hans-Ulrich Rösner.