Insel Sylt wehrt sich gegen ALR-Pläne

Sylt, sonst bekannt für einen mangelnden, solidarischen "Inselgeist", zeigt sich derzeit erstaunlich geschlossen in seiner Ablehnung gegenüber dem Ansinnen des Amtes für ländliche Räume (ALR), Sand, zum Zwecke der Vorspülung, im Naturschutzgebiet Nordsylt (Lister Ellenbogen) zu entnehmen.

Auslöser des gemeinsamen Widerstandes von zahlreichen Ausschüssen und Verbänden ist ein Antrag des ALR auf zehnjährige Festschreibung einer neuen Küstenschutzmethode. Statt wie bisher, Spülsand für die Insel per Spülbagger und Pipeline aus dem traditionellen Entnahmegebiet, rund 3 Seemeilen westlich von Westerland zu holen, soll fortan die angeblich preiswertere Variante auf zehn Jahre festgeschrieben werden: Eine Sandentnahme aus den Unterwasserhängen der Inselenden per Bagger und LKW. An beiden Naturschutzgebieten, Ellenbogen und Hörnum Odde, war in den vergangenen Jahren diese Methode bereits getestet worden. Aus Sicht der Sylter, sind die Ergebnisse dieser Tests jedoch sowohl für den Küstenschutz, als auch den Naturschutz negativ zu bewerten. So hebt die Kritik der Küstenschützer (Landschaftszweckverband, Sölring Foriining, Lister Küsten- und Katastrophenausschuss,) vor allem darauf ab, dass von dem LKW aufgetragenen Trockensand bereits nach wenigen Fluten nichts mehr übrig blieb. Schuld soll der viel geringere Haltbarkeitsgrad einer Trockensandablagerung gegenüber der herkömmlichen Spülsand-Wassergemisch-Packung sein, die viel dichter zusammenhält und so den Wellen besser trotzen kann. Abgewiesen wird auch das Argument der Geldeinsparung mit der neuen Methode. Es sei bereits durch Kurzverträge mit dänischen Spülfirmen bewiesen, dass die herkömmliche Sandvorspülung langfristig viel kostengünstiger zu machen sei, erst recht, wenn für Sylt ein eigenes, dauerhaft stationiertes Spülschiff angeschafft würde.

Auf insularer Naturschutzseite melden sich gemeinsam die Naturschutzgemeinschaft Sylt e.V. und die Schutzstation Wattenmeer zu Wort. Sie beklagen die Verschlechterung der Naturverträglichkeit der neuartigen Methode gegenüber der als notwendigen Kompromiss akzeptierten, herkömmlichen Küstenschutzmethode. Seit Mitte der Siebziger Jahre wurde die Meeresbodenstruktur und die Fauna im traditionellen Offshore-Sandentnahmegebiet zerstört. Die Naturschutzverbände sind der Auffassung, daß hier auch weiterhin der Sand für Vorspülungen entnommen werden soll, anstatt weitere Naturgebiete zusätzlich durch Eingriffe zu belasten. Im übrigen sei die Sandentnahme von Sanddepots in Naturschutzgebieten, die sich hier Dank der natürlichen Strömung aufbauten, auch zu unterlassen, um dort eine natürliche Entwicklung von Primärdünen und der entsprechenden Flora und Fauna , die in der Regel etliche Jahre zur Entfaltung benötigt, zu gewährleisten.

Schließlich ist die Bewahrung von Natur- und Landschaft Hauptzweck eines Naturschutzgebietes, so die Verbände. Solche Eingriffe dürften hier nicht einfach, wie beantragt, auf zehn Jahre pauschal genehmigt werden. Selbst der zuständige lister Gemeindeausschuss hält eine Dauergenehmigung ohne Umweltverträglichkeitsprüfung für grob fahrlässig. Der Abbau und Abtransport von großen Sandmengen durch LKWverursacht starke Beeinträchtigungen des Naturschutzgebietes. Schon bei den Tests führte monatelanger Schwerlastverkehr auf dem Strand über lange Zeiträume zu einer völligen Entwertung der Naturschutzgebiete als Rastbiotop für Vögel, Seehunde und Kegelrobben. Auch die potentielle Funktion als Brutgebiet, sowie das Naturerleben der ungestörten Landschaft von Spaziergängern und Erholungssuchenden wird zur Zeit der Maßnahmen stark beeinträchtigt. Bereits bestehende Primärdünenbereiche am Ellenbogen, die weitgehend ungestört die Dynamik von Dünenbildung zeigen, könnten durch die künstliche Sandentnahme gefährdet, oder sogar zu Nichte gemacht werden. Unterstützt werden die Naturschützer der Insel auch von den Verbänden BUND, WWF und der AG-29, sowie von der Wattenmeerstation des Alfred Wegener-Instituts in List. Dessen Gutachter, Prof. Karsten Reise, schreibt: "Nicht hinreichend beantwortet ist die generelle Frage, warum die Maßnahme überhaupt notwendig ist. Zwar wird auf den Verlust von Inselsubstanz in der Form von Dünen hingewiesen, aber unerwähnt bleibt, dass sich infolge der Sandanreicherung am Ellenbogen Nordstrand neue Dünen bilden. Wieso sind alte Dünen wichtiger als neue Dünen? Ein Wohngebiet wird durch den Abbruch der lister Weststranddünen nicht gefährdet." Die Sylter Gremien vermissen auch eine gewisse Gradlinigkeit des Landes im Umgang mit Naturschutzgebieten. So klagt der Küstenschussausschuss der Gemeinde List: "In St. Peter Ording wird das Parken auf dem Strand eingeschränkt und in List sollen in den nächsten zehn Jahren eine Million qkm Sand weggebaggert werden und der Strand auf einer Länge von fünf bis acht Kilometern mit schwerem Gerät befahren werden." Am 15.2.03 lief die letzte Einspruchsfrist gegen die Maßnahme ab. Die genannten Naturschutzverbände haben ihre Bedenken schriftlich eingereicht und hoffen nun auf eine Ablehnung des ALR-Antrages durchdie zuständige Stelle im Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt.