Nachhaltige Entwicklung bei Windkraftboom gefordert
Windkraft mit Umsicht und Know-Wo (gewußt wo) fortentwickeln!
Nach dem neuesten Klimabericht der Vereinten Nationen kann der Meeresspiegel weltweit innerhalb der nächsten 100 Jahre bis zu 88 cm ansteigen. Dies würde eine akute Bedrohung zahlloser Inseln und Küsten der Erde und natürlich auch großer Flächen unseres Wattenmeers bedeuten. Vor diesem Hintergrund sieht die Schutzstation Wattenmeer in der Nutzung alternativer Energien, also auch der Windkraft, einen wichtigen Baustein zur Verringerung klimaschädlicher Emissionen.
Zur Zeit droht jedoch ein von Gewinnmaximierung motivierter, planloser Wildwuchs, der zu unnötigen Schäden der Meeresumwelt führen wird. Im Dezember lagen allein für die deutsche Nordsee Anträge für Windparks mit einer Nennleistung von insgesamt 7000 MW vor. Das entspricht etwa 2000 Rotoren von bis 160 m Höhe.
Viele dieser Projekte sollen in ausgesprochenen Risikolagen für Mensch und Natur umgesetzt werden. Daher kann der Naturschutz diese Entwicklung nicht vorbehaltlos akzeptieren.
Bei der Windkraft geht es jetzt nicht mehr um das know how, sondern vielmehr um das "Know-Wo".
So bergen Windparks in der Nähe von Hauptschifffahrtsrouten ein extremes Kollisionsrisiko. Ein kurz aus dem Ruder laufender Supertanker könnte, wenn die Planungen umgesetzt werden, innerhalb von fünf Minuten. auf die ersten Betonfundamente von Windrotoren treffen. Wie die Vergangenheit zeigt, sind manövrierunfähige Schiffe auf See keine Seltenheit. Es könnte so zu drastischen Ölkatastrophen an der friesischen Küste kommen.
Ebenso steht die Schutzstation Wattenmeer Windparks in geplanten Vogel- oder Meeresschutzgebieten kritisch gegenüber. Sie sieht sich hier durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs unterstützt, der jüngst für derartige Gebiete bis zu ihrer endgültigen Ausweisung ein Verschlechterungsverbot bestätigte.
Um Schäden für die Meeresumwelt zu vermeiden, müssen Bund und Länder endlich gemeinsam Verantwortung übernehmen und der Windkraft klare Vorgaben liefern. Nach Auffassung der Schutzstation Wattenmeer sind folgende Maßnahmen vordringlich:
* Die bereits in Vorbereitung befindliche Sensitivitätskartierung der deutschen Meeresgebiete und weitere Projekte zur Erforschung der Auswirkungen von Windkraftanlagen (z.B. auf nachts ziehende Vögel) muss von unabhängigen Experten und mit ausreichend, also deutlich aufgestockten, finanziellen Mittel in einem überschaubaren Zeitrahmen umgesetzt werden. Aufgrund der wissenschaftlichen Ergebnisse sollen Präferenzgebiete für Offshore-Anlagen ausgewiesen werden. Erst dann dürfen Standortgenehmigungen erteilt werden. Angesichts des großen Aufwands (z. B. für Schiffsfahrten) stehen die bundesweit dafür vorgesehenen 1,5 Mio DM Naturschutz -Forschungsgelder in einem krassen Missverhältnis zu den 30 Mio. DM, mit denen das Bundeswirtschaftsministerium die technische Entwicklung von Offshorewindanlagen fördern will.
* Es darf aus Gründen der Rentabilität oder Firmenkonkurrenz nicht zu einem Flickenteppich von Windparks kommen. Statt dessen sind nur eine oder sehr wenige kompakte Flächen auszuweisen.
* Zunächst soll im Rahmen eines Pilot-Windparks die neue Technologie getestet werden. Es wäre fatal, wenn mit großem Aufwand Offshore gebaut würde und technische Mängel später zu Dauerproblemen auf der Nordsee führen würden.
* Schließlich sind klare Vorgaben zur Anlandung des Stroms notwendig. Nach den vorliegenden Plänen wären zur Anlandung von 7000 MW etwa 30 Starkstromkabel durch die Küstennationalparke und andere sensible Bereiche nötig. Ein abgestimmtes Konzept könnte ihre Zahl jedoch drastisch verringern.