Neue Salzwiesenpflanze im Wattenmeer

„Strauchige Sode“ springt über die Nordsee

Auf der nordfriesischen Hallig Hooge hat ein Botaniker-Ehepaar auf Urlaubsreise eine kleine grüne Sensation mit nadelförmigen Blättern entdeckt: ein Exemplar der „Strauchigen Sode“. Der nächste bekannte Wuchsort dieser Art ist 500 Kilometer entfernt in Südengland, am anderen Ende der Nordsee.
Unser Artenexperte Rainer Borcherding erklärt: „Durch den Klimawandel sehen wir eine ständige Zuwanderung von südlichen Arten, sowohl unter Wasser als auch bei den Pflanzen. Diese Salzwiesenpflanze aus dem Mittelmeerraum hätten wir allerdings noch lange nicht bei uns erwartet. Eigentlich tauchen südliche Arten immer erst in den Niederlanden auf und kommen später schrittweise zu uns. Wir sind verblüfft.“ Ihren großen Sprung über die Nordsee kann die Strauchige Sode als schwimmendes Samenkorn im Wasser oder im Gefieder eines Vogels absolviert haben.
Die Entdeckerin des Hooger Exemplars, Ulrike Graeber von der Arbeitsgemeinschaft Geobotanik Schleswig-Holstein, erklärt: „Wir haben eine Woche lang alle Pflanzenarten von Hallig Hooge erfasst und sind dabei auf diese Pflanze gestoßen, die uns vollkommen unbekannt war. Durch eine Mailumfrage in der Arbeitsgemeinschaft fanden sich aber schnell Kollegen, die auch die Mittelmeerflora so gut kennen, dass wir dieses weit gereiste Exemplar identifiziert bekamen.“

Die Strauchige Sode wächst am liebsten in Salzwiesen am Rand von Schotterflächen und hat in der Steinkante von Hallig Hooge einen genau passenden Wuchsort gefunden. Die Art ist frostempfindlich, hat aber offenbar den sehr warmen Winter 2019/20 überstanden und ist mittlerweile so groß geworden, dass sie nun entdeckt wurde. Ulrike Graeber dazu: „Unsere heimische Strand-Sode kann man im ersten Jahr kaum von der Strauchigen Sode unterscheiden. Unsere Strand-Sode stirbt aber im Herbst, während die Strauchige Sode mehrjährig ist. Das Hooger Exemplar wird sehr warme Winter an diesem Nordsee-Standort brauchen, um nicht doch zu erfrieren.“

Der Name Sode kommt von Soda, einem Natriumcarbonat, das seit dem Altertum als Wasch- und Bleichmittel sowie in der Glasherstellung viel verwendet wird. Die Strauchige Sode wurde in Nordafrika und am Mittelmeer über Jahrhunderte gesammelt, getrocknet und verbrannt, um aus der Asche Soda zu gewinnen. Aufgrund dieser Nutzung heißt die Art wissenschaftlich Suaeda vera = „die echte Sode“. Diesen Namen gab ihr 1765 der schwedische Botaniker Peter Forsskål auf der ersten biologischen Forschungsreise in den Orient. Im Auftrag des dänischen Königs reisten damals fünf Forscher der Uni Göttingen über Ägypten und den Jemen bis nach Indien, wobei nur der norddeutsche Carsten Niebuhr lebend zurückkehrte, jedoch die Forschungsergebnisse seiner Kollegen mitbrachte. Schon Forsskål hatte mehrere sehr ähnliche Arten von strauchförmigen Soden erkannt, doch bis heute ist unklar, zu welchen Arten die in Israel, im Iran und weiter östlich in Salzwüsten und an Küsten wachsenden Soden gehören.

Aus Libyen gibt es Untersuchungen, ob man die Strauchige Sode, die Metall-Ionen aus dem Boden aufnimmt, zur Sanierung giftbelasteter Straßenränder nutzen kann. In Spanien ist die Art als Viehfutter in Trockenzeiten beliebt. Auch in Tunesien wird mit der Art experimentiert, um auf Salzböden Viehfutter zu züchten. Allerdings reichert die Sode so viel Soda und andere Salze an, dass sie zwar nahrhaft, aber schwer verdaulich ist. Für Wildkräutersalat kann man die im Wattenmeer häufige Strand-Sode verwenden, die ebenfalls deutlich salzig schmeckt.
Unser Team auf Hallig Hooge wird "seine" Strauchige Sode mit Interesse weiter beobachten.

Die Entdecker mit der Strauchigen Sode
Das Entdeckerpaar Ulrike und Klaus Graeber zeigt FÖJler Theo Kind die neue Pflanze.
Strauchige Sode auf Hallig Hooge
Das Exemplar der Strauchigen Sode ist so groß, dass es wohl schon den vergangenen Winter auf der Hallig überstanden hat.
Strauchige Sode aus der Nähe
Die Sode hat fleischige, nadelartige Blätter.