Nur teilweise erreicht: Kompromiss mit der Fischerei
Artikel zum Jubiläum 40 Jahre Nationalpark
In diesem Jahr wird der Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer 40 Jahre alt. Hierzu betrachten wir in einer Serie von Artikeln verschiedene Aspekte dieses Jubiläums. Dr. Hans-Ulrich Rösner, früherer Leiter des Wattenmeerbüros des WWF, beschreibt den schwierigen Weg zu einer naturverträglichen Ausgestaltung der Fischerei im Nationalpark.
Das schleswig-holsteinische Wattenmeer ist seit 40 Jahren als Nationalpark geschützt. Dies ist ein großartiger Erfolg, der sehr viel für die Natur dieses einzigartigen Lebensraumes gebracht hat. Doch ist dies nur die eine Seite der Medaille, denn die Qualität des Schutzes entspricht noch nicht überall dem Anspruch eines Nationalparks.
Zu den noch immer bestehenden Gefährdungen zählt auch jene durch die Fischerei. Um das Ziel eines glaubwürdig geschützten Wattenmeeres mit einer weitestgehend natürlichen Entwicklung und Artenvielfalt zu erreichen, sind wesentliche Änderungen bei der Fischerei erforderlich, die nur zu Teilen schon erreicht wurden.
Es gibt verschiedene Fischereien im Nationalpark. Mengenmäßig am bedeutendsten sind die auf Miesmuscheln sowie auf Krabben. Mit diesen befasst sich dieser Artikel.
Miesmuschelfischerei: Kompromiss gefunden
Miesmuscheln kommen im Wattenmeer konzentriert auf kleinen Flächen vor. Mit den dort gebildeten Muschelbänken schaffen sie aber Lebensbedingungen für eine Fülle von Begleitarten, bis hin zu Vögeln wie Austernfischern und Eiderenten, die teilweise von Miesmuscheln leben. Zudem haben sie als Filtrierer einer sehr großen Wassermenge starken Einfluss auf die Stoffflüsse im Ökosystem.
Die Methode der Fischerei bestand vor allem darin, Ansiedlungen von jungen Muscheln zu finden und diese als Besatzmuscheln auf Muschelkulturen an anderen Stellen des Nationalparks zu bringen. Nach wenigen Jahren werden sie dann dort als verkaufsfähige Konsummuscheln geerntet.
Die Miesmuschelfischerei bestand schon bei Gründung des Nationalparks, wurde dann aber trotz des Schutzes noch wesentlich ausgeweitet. Die Fläche natürlicher Muschelbänke wurde immer geringer, die der Muschelkulturen größer. In den 90er-Jahren führte dieser Konflikt zu neuen Regelungen, Muschelbänke im trockenfallenden Watt durften nicht mehr befischt werden. Jahre später wurde bekannt, dass Muschelfischer in großem Maße Besatzmuscheln aus England und Irland importierten, mit dem ständigen Risiko, damit auch invasive Arten einzuschleppen. Eine von Schutzstation Wattenmeer und WWF erhobene Klage gegen solche Importe verlief deshalb erfolgreich.
Doch im ständig wasserbedeckten Teil des Wattenmeeres blieb die Fischerei auf Besatzmuscheln zulässig. Miesmuscheln hatten früher dort auch längerfristig bestehende Riffe gebildet, dies wurde durch die Abfischung unmöglich.
Der schwelende Dauerkonflikt verlangte eine Lösung. Nach intensiven Gesprächen einigten sich Landesregierung, Muschelfischer und Naturschutzverbände – darunter Schutzstation Wattenmeer und WWF – 2015 auf Eckpunkte für eine künftige Muschelfischerei. Diese Vereinbarung wird seitdem umgesetzt und ist ein großer Erfolg für einen besseren Schutz des Nationalparks. Zugleich ermöglichte sie Planungssicherheit für die Fischerei.
2025 wurde die Vereinbarung, wieder nach intensiven Gesprächen, in einigen Punkten erneuert: Eine Flexibilisierung bei Genehmigungen und eine Verlängerung der Laufzeit der Vereinbarung bis 2043 war wichtig für die Muschelfischerei. Für den Naturschutz wurde eine Beendigung der Besatzmuschelfischerei auf allen wilden Muschelbänken und eine Verkleinerung des für die Muschelwirtschaft grundsätzlich zulässigen Gebietes auf 8 Prozent der Nationalparkfläche erreicht.
Insgesamt wurde bei der Miesmuschelfischerei also ein Kompromiss erreicht, der dem Nationalpark noch zu seinem Recht verhilft und zugleich eine wirtschaftlich tragfähige Miesmuschelwirtschaft ermöglicht.
Krabbenfischerei: Viel Dialog mit wenig Erfolg
Die „Krabben“-Fischerei auf Nordseegarnelen erfolgt überwiegend im küstennahen Bereich der Nordsee und im Wattenmeer. Gut zwei Drittel der deutschen Krabbenfischerei findet innerhalb der Wattenmeer-Nationalparke statt, in denen sie bisher kaum eingeschränkt ist. Zum größeren Teil wird dabei im Offshore-Bereich seewärts der Inseln gefischt. Rund ein Viertel der deutschen Krabbenfischerei wird sogar noch innerhalb der Tidebecken des inneren Wattenmeeres ausgeübt.
Zu den negativen Folgen der Krabbenfischerei zählen aufgrund der geringen Maschenweite der Netze die Entnahme großer Mengen an Meerestieren als Beifang, von denen viele sterben. Es ist wahrscheinlich, dass dies historisch auch zum Verschwinden von Arten wie Rochen und kleinen Haien im Wattenmeer beigetragen hat. Auch wertvolle Lebensräume wie Sandkorallenriffe sind durch die grundberührenden Netze verschwunden, andere wie Seemoos oder die früher auch im Unterwasserbereich vorhandenen Miesmuschelbänke und Seegraswiesen sind wahrscheinlich geschädigt worden.
Hinzu kommt der Eingriff in das Nahrungsnetz des Wattenmeeres durch die Entnahme bedeutender Mengen an Nordseegarnelen, sowie deren Wachstumsüberfischung. Selbst der Bestand ist in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen. Auch gibt es Einflüsse auf die Vogelwelt des Wattenmeeres, etwa durch Störungen im Mausergebiet der Brandgänse und eine Veränderung der Möwenbestände aufgrund deren „Fütterung“ durch den aus dem Kutter gespülten Beifang. Klimaeffekte bestehen durch den Ferntransport zur Schälung der Krabben sowie aus dem Fossil-Antrieb der Kutter, möglicherweise auch durch Kohlenstoff-Freisetzung aus aufgewirbeltem Sediment und die daraus folgende Sauerstoffzehrung.
Nur 3 Prozent des Nationalparks in Schleswig-Holstein sind bislang als Nullnutzungszone auch für die Krabbenfischerei gesperrt. Der Nationalpark erfüllt daher nicht annähernd die Vorgabe des Bundesnaturschutzgesetzes, nach der eine ungestörte Entwicklung im überwiegenden Teil eines Nationalparks möglich sein muss. Auch dem europäischen Habitatschutz-Recht und dessen Anforderung nach einer Verträglichkeitsprüfung wird nicht entsprochen.
Schleswig-Holstein in der Pflicht
Es muss also aus rechtlichen Gründen eine naturschutzorientierte Anpassung der Fischerei erfolgen, doch auch andere Vorgaben erfordern besseren Schutz. Den weltweiten IUCN-Richtlinien zufolge soll auf mindestens 75 Prozent der Fläche eines Nationalparks dessen wichtigstes Schutzziel, die ungestörte Naturentwicklung, erreicht werden. Ein 2023 veröffentlichter EU-Aktionsplan für eine nachhaltige Fischerei sieht sogar eine generelle Beendigung der Grundschleppnetzfischerei in Meeresschutzgebieten vor.
Es stimmt vor diesem Hintergrund optimistisch, was 2022 in den Koalitionsvertrag der schwarz-grünen Landesregierung in Schleswig-Holstein geschrieben wurde: die wirtschaftliche Zukunft der Krabbenfischerei sollte abgesichert und zugleich sollte sie nationalparkverträglich ausgestaltet werden. Auch auf Anregung der Fischerei selbst begann daraufhin im März 2024 ein „Zukunftsdialog Krabbenfischerei“ zwischen Fischerei, Naturschutz und der Landesregierung. Seitens der Naturschutzorganisationen waren Vertreter von Schutzstation Wattenmeer und WWF engagiert an dem Dialog beteiligt.
Leider konnte auch nach mehr als einjährigen Gesprächen keine Einigung für eine Reduzierung der Fischerei auf ein nationalparkgerechtes Maß erreicht werden. Dies war ein schwerer Rückschlag für das Ziel, auch bei der Krabbenfischerei einen Interessenausgleich im Dialog zu erreichen.
Das Scheitern des Zukunftsdialogs ist sehr schmerzhaft. Dennoch wäre auch weiterhin eine Lösung im Dialog zu bevorzugen – für einen gut geschützten Nationalpark, aber auch für eine Erhaltung der Krabbenfischerei als regionale Küstenfischerei an der Nordseeküste!
Schleswig-Holstein ist jedenfalls in der Pflicht, notfalls auch ohne eine Einigung im Dialog den Schutz des Nationalparks zu verbessern und dafür große fischereifreie Gebiete einzurichten. Sollte es für einen Teil der Krabbenkutter künftig Stilllegungsprämien geben, wie auf Bundesebene angekündigt, wäre diese Förderung nur zu rechtfertigen, wenn im Gegenzug ausreichend große fischereifreie Gebiete im Nationalpark ausgewiesen werden.