Rückkehr der Riesen - Kegelrobbe, Seeadler und Buckelwal

Nationalpark-Themenjahr Artenvielfalt

Update 12.7.24: Die unten stehenden Zeilen über die Rückkehr des Buckelwals waren gerade veröffentlicht, als die Meldung von einer Sichtung vor Baltrum durch die Medien ging. Hier ein Bericht des NDR.

 

Menschliche Verfolgung und Umweltgifte haben viele Arten aus dem Ökosystem Wattenmeer verschwinden lassen - von der Europäischen Auster über den Auerochsen bis zum Grauwal. Mittlerweile erholen sich einige Arten durch verbesserten Schutz, darunter ein paar durchaus ansehnliche Naturschönheiten.

Für Kormoran, Nonnengans und Kadaver-Strandkäfer gibt es eine schlechte Nachricht, die für Vogelfreunde sehr positiv ist: Der Seeadler ist wieder an der Nordsee heimisch. Der majestätische Segelflieger mit bis zu 2,4 Metern Spannweite, der noch 1990 in Westdeutschland fast ausgestorben war und nur streng bewacht auf hohen Bäumen ganz selten einen Jungvogel groß zog, kommt mittlerweile wieder in ganz Norddeutschland vor. In Niedersachsen erreicht er entlang von Elbe, Weser und Ems das Wattenmeer, während er in Nordfriesland sogar schon wieder auf den Inseln brütet.
Seeadler jagen Wasservögel, vor allem Enten, Gänse und Kormorane, aber sie fressen auch Aas. Auf den Außensänden, wo angespülte tote Meeressäuger bislang den Möwen und Aaskäfern gehörten, können Seeadler inzwischen regelmäßig an Kadavern beobachtet werden. In der Wahl ihrer Nistplätze haben die Adler sich als unerwartet flexibel erwiesen und bauen ihre zentnerschweren Horste mittlerweile auch in ziemlich kleinen Baumgruppen und in Sichtweite des Menschen. Nach Jahrtausenden der Verfolgung wird der Adler erstmals nicht mehr vom Menschen gejagt, was seine Rückkehr ermöglichte. Der Tod durch Windräder, Lokomotiven oder Vergiftungen spielt allerdings weiterhin eine Rolle. Dennoch nimmt der Seeadler schrittweise wieder seine Rolle im Ökosystem Wattenmeer ein – als Top-Prädator und als Aasfresser an einem reich gedeckten Tisch.

Ein weiterer großer Rückkehrer im Wattenmeer, mit bis zu 300 Kilo Lebendgewicht zugleich das größte Raubtier Deutschlands, ist die Kegelrobbe. Die Art war – ausweislich archäologischer Knochenfunde - noch im Mittelalter die häufigste Robbe unserer Küsten. Da die Jungtiere im Winter am Strand in ihren ersten Lebenswochen leicht zu erbeuten sind, wurde die Kegelrobbe im Wattenmeer komplett ausgerottet.
Als schottische Fischer Ende der 1970er Jahre in den dortigen Wurfkolonien die Jungtiere erschlugen, wichen die Kegelrobben aus und besiedelten wieder das Wattenmeer und Helgoland. Ab etwa 1985 gab es erste Geburten auf den nordfriesischen Außensänden, ab 1996 auf Helgoland. Die Population wächst stetig, sowohl durch Fortpflanzung als auch durch Zuwanderung aus Schottland, und es wird spannend zu beobachten sein, wo sich neue Wurfkolonien bilden.
Da einzelne Kegelrobben auch Seehunde töten und fressen, kann es langfristig dazu kommen, dass die Kegelrobbe wieder zur dominanten Robbenart im Wattenmeer wird. Die verspielten Jungrobben auf Helgoland, die gerne mit Badegästen toben, aber durchaus spitze Zähne haben, könnten dann auch an anderen Badestränden zu einem Naturphänomen werden, das begeistert und zugleich Respekt erfordert.

Die größte Art der Rückkehrer ins Wattenmeer ist der Buckelwal. Er tritt seit 2003 fast jährlich in Einzelexemplaren an der niederländischen Küste auf und fischt dort Heringe und Sprotten. Im Winter 2012 strandete ein Jungtier auf einer Sandbank vor Texel, konnte aber trotz tagelanger Bemühungen nicht gerettet werden. Spektakuläre Filmausschnitte der vergeblichen nächtlichen Rettungsversuche mit Rettungsbooten und Helikopter sind unter „Texel bultrug vervolg“ im Internet zu finden. Es ist gut möglich, dass dieser Großwal, der geschickt im Flachwasser navigieren und jagen kann, das Wattenmeer wieder als Lebensraum erobert. Nachdem sein Bestand weltweit bis 1986 um 95 % zusammengeschossen worden war, erholt die Art sich erfreulicherweise.
Allerdings ist nicht klar, wo die Wale ausreichend Nahrung finden werden, wenn die Meere wärmer werden. Fischereifreie Schutzgebiete mit reichen Fischschwärmen wären sicher eine Hilfe für die Wale, ebenso für Delfine und Robben. Die Vermeidung von Unterwasserlärm sowie von Verstrickungen der Meeressäuger in Fischernetzen und Seilen sind ebenfalls wichtige Schutzmaßnahmen.

Großtiere, die vom Menschen durch gezielte Jagd ausgerottet wurden, haben heute oft eine Chance zur Rückkehr, wie Wolf, Luchs, Biber und Otter an Land zeigen. Im Wattenmeer sehen wir seit der Einstellung der Jagd die Rückkehr einiger großer Beutegreifer. Allerdings wird es für Wale und Robben darauf ankommen, dass auch die Fischbestände als ihre Nahrung künftig besser geschützt werden und anwachsen. Der Naturreichtum muss auch unter Wasser eine Chance bekommen. Egal ob Rochen, Pelikane oder Delfine: Noch einige Arten warten auf eine Rückkehr.

Seeadler über dem Japsand
Seeadler kann man im und am Nationalpark Wattenmeer inzwischen wieder fast täglich beobachten. Sie brüten am Festland und auf den Inseln und rasten gern auf den Außensänden.
Adler auf Sandbank an totem Seehund
Seeadler jagen nicht nur Enten und Gänse, sondern gehen auch an Aas. Hier brach ein Adler einen toten Seehund auf.
Besucherinformation an Robben-Schutzzone
Eine schöne Erfolgsgeschichte ist die Rückkehr der Kegelrobben. Auf Sylt und Amrum konnten wir Jungrobben mit Schutzzonen und aktiver Informationsarbeit vor Störungen schützen.
Kegelrobbe mit Jungem
Inzwischen ist die Helgoländer Düne der wichtigste Wurfplatz der großen Meeressäuger.
Junge Kegelrobbe am Deich
Doch die Kegelrobben sind immer wieder für Überraschungen gut. Dieses Jungtier wurde bei Orkan Xaver von der Mutter am Deich vor Westerhever versorgt.
Buckelwal taucht ab
Markantes Kennzeichen der Buckelwale ist die große Fluke, die beim Abtauchen in größere Tiefe hoch aus dem Wasser ragt.
Schwimmende Buckelwale
Im flacheren Wattenmeer wird man Buckelwale eher so zu sehen bekommen.