Sondermüll im Nationalpark

Gefahr für Wildtiere - Schutzstation drängt auf Beseitigung von Sondermüll auf Naturstränden des Nationalparkes Wattenmeer

Die Naturstrände des Nationalparkes Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer sind streckenweise mit Sondermüll verdreckt. Zu diesem Ergebnis kamen jetzt stichprobenartige Kontrollgänge der Schutzstation Wattenmeer auf den Außensänden Blauortsand, Süderoogsand und Japsand.

Wegen der Gefahr, die von Müllteilen für die Wildtiere des Nationalparkes ausgehen und zur Verhütung von Gewässerverschmutzung durch auslaufende Ölkontainer, drängt die Naturschutzgesellschaft bei den Behörden auf eine zügige Reinigung der Naturstrände noch vor dem Einsetzen der Herbststürme. In Richtung EU-Parlament in Brüssel stellt die Schutzstation Wattenmeer die Forderung, nach einer generellen Entsorgungsbeteiligung der Europäischen Gemeinschaft. "Die Küstengemeinden, Kreise und Länder der südlichen Nordsee dürfen nicht auf den Kosten der Entsorgung des jährlich anfallenden internationalen Nordseemülls sitzen gelassen werden, fordert Lothar Koch, Sprecher der Schutzstation Wattenmeer.

"Der bereits 1990 auf der Internationalen Nordseeschutzkonferenz beschlossene Annex V der MARPOL-Richtlinie (Marine Pollution), der die Verklappung von Schiffsmüll auf der Nordsee untersagt, hat bislang offensichtlich zu wenig Wirkung gezeigt und reicht zur Lösung des Müllproblems auf der Nordsee nicht aus."
Hintergrund

Die weißen, weiten Strände der friesischen Inseln locken jedes Jahr Millionen von Urlaubern an die Nordseeküste. In der Regel sorgen die Gemeinden auch dafür, daß Werbebilder und Realität am Strand nicht zu weit auseinanderliegen: Mit großem technischen und finanziellen Aufwand werden täglich die Badestrände von Unrat befreit, den die Nordsee mit jeder Flut anspült. So kommt es, daß kleine Fremdenverkehrsgemeinden, Kreise an der deutschen Küste jährlich Tausende von Tonnen Müll aus England, Holland Belgien und dem Rest der zur See fahrenden Welt für teures Geld entsorgen müssen.

Eben wegen der hohen Kosten, werden nur die für den Fremdenverkehr wichtigen Badestrände regelmäßig gereinigt. Im Spülsaum der betretungsfreien Außensände und abgelegenen Inselstrände bleibt der Dreck oft Monate lang liegen-bis ihn die nächste Sturmflut übersandet oder eine Insel weiterschwemmt.

"Das was die Flut bringt ist nicht nur Tauwerk, Holz und Bonbonpapier" erläutert Silvia Gaus, die bei der Schutzstation Wattenmeer zuständige Biologin für die Spülsaumkontrolle, "Der Strandspülsaum im Schutzgebiet spiegelt vielmehr die ganze Produktpalette unse rer Wohlstandsgesellschaft wieder. Spraydosen, Flaschen, Farben, Lacke, Plastikplanen, Nylonnetze, Kondome, Paraffinklumpen, Styroporplatten, Plastikgranulat, Arzneimittel-bis hin zu kompletten Kühlschränken, um nur einiges zu nennen." Noch schlimmer sind die Abfälle der Schiffahrt und Industrie.

Die Liste eines Kontrollganges am 14.9.2000 auf dem Süderoogsand, liest sich wie das Adressbuch der Öl-und Chemiemulties: Texaco- Ölfässer, Castrol-Ölfässer, Shell-Tonne, Unicorn Chemicals, usw.. Insgesamt 19 volle oder halbvolle Gebinde mit flüssigem Sodermüll machten unsere Mitarbeiter bei dem Kontrollgang ins Schutzgebiet allein auf diesem einen Außensand aus.Bei Stichproben auf Jap- und Blauortsand ergab sich ein ähnliches Bild: Ölfunde, Kanister und weiterer Sondermüll.

"Von diesen Stoffen gehen erhebliche Gefahren für Wildtiere aus" kommentiert Lothar Koch, Sprecher der Schutzstation Wattenmeer. Immer wieder finden wir tote Seevögel, die sich in Nylonfäden, Fischnetzresten und Plastikringen verhedderten und dann jämmerlich verhungerten. Seehunde und Kegelrobben, die auf saubere Rastflächen im Nationalpark angewiesen sind, können sich beim Umherrobben an scharfkantigen Scherben, geplatzten Leuchtstoffröhren, und Hartplastikteilen böse Schnittwunden zufügen. Mit Öl-und anderen Chemikalien verdreckte Bereiche Verschmutzen Robbenfell und Vogelfedern und belasten die Wasserqualität. Bei Robben führt das zu bösartigen Geschwüren und Hautvereiterungen und bei Vögel zu erheblichem Wärmeverlust und inneren Vergiftungen. Für alle betroffenen Tiere endet es auf die Dauer in der Regel tödlich.

"Wir würden als Naturschutzverband ja gern selbst Hand anlegen und den Müll in unserem Betreuungsgebiet zusammensammeln, so Lothar Koch, aber bei der derzeitigen Rechtslage laufen wir Gefahr, daß nach der Plackerei im Watt uns dann auch noch die Rechnung zur Entsorgung des gesammelten Sondermülls ins Haus steht. Das ist für uns als spendenabhängiger Verband nicht leistbar und kann auch nicht unsere Aufgabe sein."