Weiterer Rückschritt für Nationalpark-Akzeptanz

Kabinett drückt Profitinteresse weniger Muschelfischer gegen Westküste und Verbände durch

Das Landeskabinett in Kiel hat gegen die Proteste von Naturschutzverbänden und der Insel-und Halligbevölkerung die Verlängerung des Programms zur Bewirtschaftung der Muschelressourcen im Nationalpark durchgedrückt.

Den beiden neuen zuständigen MinisterInnen Ingrid Franzen (Landwirtschaft und Fischerei) und Claus Müller (Umweltministerium) gelang es nicht, die von den Naturschutzverbänden erhofften neue Akzente in der Muschelwirtschaft zu setzen. Damit hat die Landesregierung eine wichtige Chance vertan, das nach der Gesetzesnovellierung angeschlagene Image des Nationalparkes Wattenmeer bei der örtlichen Bevölkerung aufzubessern. Diese befürchten vor allem eine Begünstigung der Erosion von Insel-und Halligsockeln durch die Muschelfischerei.

Die Naturschutzvereine, Nationalparkkuratorien und andere Organisationen waren zwar aufgerufen worden, im Rahmen eines schriftlichen Anhörungsverfahrens zum Programmentwurf des Landwirtschaftsministerium Stellung zu nehmen. Die Schutzstation Wattenmeer hatte daraufhin in Zusammenarbeit mit dem Landesnaturschutzverband eine detaillierte Stellungnahme verfasst, die u. a. auch vom Schleswig-Holsteinischen Heimatbund und vom Landessportfischerverband unterstützt wurde.

Im Endeffekt wurde der fischereifreundliche Programmentwurf des Landwirtschaftsministeriums am vergangenen Mittwoch jedoch ohne größere Veränderungen von der Landesregierung beschlossen. Die Muschelwirtschaft wird somit auf hohem Niveau vertraglich abgesichert. Auf Verbände und Kommunen wirkt es wie ein Schlag ins Gesicht, wenn die Landesregierung praktisch gleichzeitig mit der Einrichtung eines neuen, seewärtigen Schutzgebietes, dort eine völlig neue Industrieform, die Trogmuschelfischerei, auf 16 Jahre festschreibt. Obwohl über die Auswirkungen der Trogmuschelfischerei kaum Untersuchungen vorliegen, ist diese erst seit 1992 sporadisch ausgeführte Fischereiform im Walschutzgebiet jetzt langfristig festgeschrieben. Eine vorgesehene Verträglichkeitsprüfung wird der Muschelwirtschaft keine Schwierigkeiten bereiten. Denn im Konfliktfall muss das Umweltministerium die Unverträglichkeit dieser Nutzung nachweisen. Eine für Nationalparke undenkbare Umkehrung des Vorsorgeprinzips! Außerdem dürfen weiterhin Pazifische Austern importiert und in offenen Kulturen im Nationalpark gehalten werden. Dies ist ein klarer Widerspruch zum Nationalparkgesetz, das die Freisetzung ortsuntypischer Tiere verbietet. Auch die Miesmuschelwirtschaft wird langfristig auf höherem Niveau als vor Gründung des Nationalparks fortgesetzt. Der bis 2006 vorgesehene Abbau einiger Kulturflächen auf 2000 ha wird später nicht auf die ursprüngliche Größe von 1300 ha fortgesetzt. Eine Verringerung der Muschelnutzung im Nationalpark ist dann bis zum Jahr 2016 praktisch ausgeschlossen.

Eine von Seiten der Ministerien mehrfach herausgestellte Änderungsklausel des Programms ist bei näherer Betrachtung wenig wert. Sie ist so formuliert, dass Änderungen der Regelungen das Einverständnis der Muschelwirtschaft benötigen. Nach den bisherigen Erfahrungen heißt dies, dass Einschränkungen der Nutzung nur im Tausch gegen Vergünstigungen an anderer Stelle zu erreichen sind. Der Weg zu einer Verringerung der Nutzungsintensität insgesamt ist somit verbaut. Absolut unverständlich ist, dass das Programm ohne Not mit dem Einverständnis des Umweltministeriums verabschiedet worden ist. Es trägt zwar die Unterschrift von Claus Müller, jedoch inhaltlich nicht die Handschrift eines (grünen) Ministers für Umwelt und Natur.