Das winterliche Spülsaumtrio

Ohrenlerche, Schneeammer, Berghänfling

Das von der Nationalparkverwaltung initiierte Jahresthema 2022 ist „Vogelzug im Wattenmeer – 12 Monate gefiederte Vielfalt“. Hierzu stellen wir in lockerer Folge einige typische Zugvögel der Küste vor.

 

Nicht nur für arktische Watvögel oder Gänse ist das Wattenmeer ein bedeutsames Rast- oder Überwinterungsgebiet. Leicht wird übersehen, dass unsere Küsten auch für manche nordische Singvogelart eine zentrale Rolle spielen.

Ohrenlerchen, Schneeammern und Berghänflinge, die jetzt in den Salzwiesen und an den Deichen in auffälligen Schwärmen auftreten, werden gern als „Spülsaumtrio“ zusammengefasst. Besonders hübsch sind die Ohrenlerchen mit ihren zitronengelben Federn im Gesicht mit schwarzer Augenmaske, langen schwarzen Ohrfedern sowie sandbraunen Körperfedern. Aber auch die Schneeammern mit viel Weiß im Gefieder und die kleineren braunen Berghänflinge mit gelbem Schnabel und rosa Bürzel sind echte Hingucker!

Oft halten sich die drei Arten in gemischten Schwärmen von einigen dutzend bis mehreren hundert Individuen an den Spülsäumen am Deichfuß auf, wo sie die von hohen Fluten angeschwemmten Sämereien der Salzwiesenpflanzen fressen. Während Berghänflinge sich auf Samen von Queller und Strandsode spezialisiert haben, nutzen Ohrenlerchen ebenso gern die von Melden, Rotschwingel oder Strandflieder. Im Herbst und Frühjahr verschmähen sie auch Insekten nicht.

Eine Besonderheit der Ohrenlerche ist ihre hohe Ortstreue im Überwinterungsgebiet. Anhand farbig beringter Vögel wurde festgestellt, dass sich einzelne Individuen oft den ganzen Winter hindurch an nur jeweils etwa zwei Kilometer langen Deich- oder Küstenabschnitten aufhalten. Auch in den Folgejahren sind sie hier wieder anzutreffen. Berghänflinge haben größere, im Schnitt etwa acht Kilometer lange Nahrungsreviere. Schneeammern sind flexibler und gern auch an sandigen Küsten zu finden.

Die Brutgebiete dieser Arten liegen in der skandinavischen Tundra. Hierbei hat sich insbesondere die Verbreitung der Ohrenlerche stark verringert. In den 1960er-Jahren sollen ihre Brutpopulationen in Finnland und Schweden noch jeweils bis zu 10.000 Paare betragen haben. Heute sind es dort insgesamt nur noch wenige Hundert. Die meisten Ohrenlerchen an der Nordseeküste stammen daher aus Norwegen. Mit mindestens 53 Prozent überwintert mehr als die Hälfte des skandinavischen Bestands im Wattenmeer. Beim Berghänfling sind es 47 Prozent.

An den kurzen Wintertagen müssen die Vögel den ganzen Tag über auf Nahrungssuche sein, um ausreichend Energie aufnehmen und auch frostige Perioden an unserer Küste gut überstehen zu können.
Im Frühjahr futtern sich alle drei Arten Fettreserven für die weiten Zugstrecken in ihre Brutgebiete in den arktischen Tundren an.

Die Spülsäume an nicht beweideten Salzwiesen bieten heute eine reichhaltige und vielfältige Nahrungsquelle. Das war nicht immer so.
Insbesondere für die Ohrenlerche wird in diesem Zusammenhang diskutiert, ob der starke Bestandsrückgang zwischen den 196oer-Jahren und der Jahrtausendwende auch mit der Entwicklung der Salzwiesen im Wattenmeer zusammenhing. Immerhin halten sich die Lerchen von Oktober bis April und somit mehr als die Hälfte des Jahres hier auf.
Mit den Eindeichungen der Eidermündung, der Meldorfer Bucht des Rickelsbüller Koogs und zuletzt des Beltringharder Koogs gingen allein zwischen 1970 und 1987 große Salzwiesenflächen verloren. In den verbleibenden Bereichen führte die intensive Begräsung durch Schafe dazu, dass nur wenige Pflanzen blühen und Samen entwickeln konnten. Erst nachdem ab 1990 in vielen Vorländern des Nationalparks die Beweidung beendet wurde, nahm die Menge an Sämereien in den Spülsäumen deutlich zu. Um das Jahr 2000  stabilisierte sich auch der Bestand der Ohrenlerche.
Im Rahmen des wattenmeerweiten Rastvogel-Monitorings sollen unsere Freiwilligen-Teams bei den regelmäßigen Springtiden-Zählungen neben den typischen Wasservogelarten auch diese Salzwiesen-Singvögel möglichst vollständig erfassen.

Live erleben kann man das Spülsaumtrio mit etwas Glück bei den winterlichen Vogelführungen, die unsere Freiwilligen-Teams an vielen Orten anbieten. Die Termine stehen hier im Gesamtkalender oder auf den Seiten der Stationen.

Ohrenlerche am Strand
Die Ohrenlerche fällt im Winter auf graubraunem Untergrund kaum auf.
Ohrenlerche aufrecht
Mit der einzigartigen schwarz-gelben Maske ist sie dennoch nicht zu verwechseln.
Schneeammer
Viel Weiß hat die Schneeammer in ihrem Gefieder.
Berghänflinge an verschneitem Deich
Berghänflinge sind fast immer in Schwärmen zu sehen.