Die Sandkoralle

(Sabellaria spinosa)

Verschwundene Riffe

Korallenriffe gibt es im trüben und kühlen Wattenmeer nicht. Doch in einigen tieferen Prielen gab es bis vor 30 oder 50 Jahren eine Lebensgemeinschaft, die „Sandkoralle“ hieß oder „Pümpwurm“. Von den Fischern wurden die Riffe wegen ihrer bröseligen Struktur auch „Salpeter“ genannt. Es handelte sich um Riffe aus Sand und Wurmspucke, die über Jahre oder Jahrzehnte durch kleine Borstenwürmer erzeugt wurden. Die Baumeister dieser Riffe waren Würmchen der Art Sabellaria spinulosa. Sie sind nur etwa zwei Zentimeter lang und leben in kleinen Röhren, die sie aus Sandkörnern zusammen kleben. Generationen aus Tausenden von Würmern konnten ausgedehnte Riffe von einem Meter Höhe bilden.

Lebensraum für viele Arten

Diese Sandriffe boten Lebensraum und Versteck für viele andere Arten: Seeanemonen, Polypenstöcke, Schlangensterne und das Porzellankrebschen waren typische Bewohner der Sandkorallenriffe. Bis zu 80 Arten von „Untermietern“ wurden in englischen Sandkorallenriffen nachgewiesen. Auch im Mittelmeer sind diese Wurmkolonien noch zu finden. Im Wattenmeer dagegen gibt es wohl keine lebenden Sandkorallen mehr. Um 1990 wurde südwestlich von Amrum das letzte Riff in Schleswig-Holstein gemeldet, und bis 2010 verschwanden offenbar die letzten Riffe in der Jade im Zuge der Baggerungen für den Jade-Weser-Port.

Mit Ketten geschleift

Der Rückgang der Sabellaria-Riffe im Wattenmeer begann um 1920, als die Krabbenkutter Motoren bekamen und stark genug wurden, um die Sandriffe mit ihren Schleppnetzen zu „überfahren“. Da die Krabbenfischer die Wurmriffe sehr lästig fanden, weil ihre Fanggeschirre sich daran verhaken konnten, wurden die Riffe teilweise gezielt mit schweren Ketten „geschleift“. Sind keine Wurmröhren mehr vorhanden, unterbleibt die Ansiedlung der mikroskopisch kleinen Wurmlarven fast völlig. Nur gelegentlich sind im Eingangsbereich leerer Wellhornschneckenhäuser einzelne Röhren des „Pümpwurms“ zu finden. Sie können allerdings auch Jahrzehnte alt sein, denn die Wurmspucke ist offenbar unter Wasser viele Jahre haltbar.

Eine Chance für neue Sandkorallen?

Damit die Sandkoralle ihre wichtige Aufgabe als Ökosystem-Baumeister in den Wattenmeerprielen wieder aufnehmen kann, sind größere schleppnetzfreie Zonen im Nationalpark erforderlich, damit die Würmer sich allmähliche wieder ansiedeln können. Die Sandkoralle unterliegt dem Schutz der EU und von OSPAR und findet trotzdem im Nationalpark und Welterbe Wattenmeer keinen geschützten Lebensraum unter Wasser – ein Trauerspiel eigentlich!

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