Universität Hamburg - Fachbereich Biologie

Wir, ein Dozententeam von der Universität Hamburg, kommen jeden Sommer mit ca. 20 Studierenden auf die Hallig Langeness. Unsere Zöglinge lernen in dieser Exkursion vor allem die Tierwelt des Wattenmeeres kennen. Doch eigentlich passiert viel mehr in diesen 7 Tagen fernab der Großstadt …

Für viele ist es das erste Mal auf einer Hallig. Vielleicht sogar das erste Mal an der Nordsee. Und das, obwohl die Gruppe altersmäßig sehr gemischt ist. Wir empfangen unsere Gruppe von Lehramtsstudenten am Fährhafen in Schlüttsiel. Ausgestattet mit Gummistiefeln, Regencapes und Köfferchen finden die ersten Gespräche in der sich noch unbekannten Gruppe statt. In manchen Gesichtern stehen die Sorgen ins Gesicht geschrieben. Es ist früh am Morgen. Einige Stunden Anreise liegt schon hinter ihnen. Eine steife Brise weht. Die Nordsee präsentiert sich in ihrem ungemütlichen Grau. Das Unbekannte liegt scheinbar bedrohlich vor ihnen. Wir Lehrenden hingegen freuen uns schon sehr auf die wunderschöne Inselwelt, das Leben nach Wetter und Tide und natürlich auf die Arbeit mit der Gruppe.

Gegen Mittag erreichen wir nach schaukeliger Überfahrt das sichere Halligland. Wir werden vom Gekreische der Möwen und Austernfischer empfangen. Wir blicken in große, erstaunte Augen. Das da hinten gehört auch noch zur Hallig? Die Weite und die Einfachheit der Hallig sind offenbar unerwartet. Und dann geht es los, das Leben auf der Hallig. Fahrrad fahren. Tidenkalender und Wetterberichte studieren. Ein Crashkurs für den Lebensraum Wattenmeer: Pflanzen und Tiere der Salzwiese, Tiere lebend im Wechsel der Gezeiten sowie deren Räuber aus der Luft. Doch nicht nur Lebensräume und deren typische Vertreter, sondern auch das wissenschaftliche Arbeiten sind Teil des Lehrprogrammes. Die Zeit ist knapp, eine Herausforderung für uns, Lehrinhalte in Einklang mit Tide und dem sich ständig wechselnden Wetter in Einklang zu bringen ohne die Gruppe zu sehr zu überfordern. Auch wenn das Programm manchmal bis abends um 22 Uhr andauert….

Die „Schützer“, meist FÖJ-ler oder die neudeutschen „Bufdis“, stehen uns mit Rat und Tat zur Seite. Ihre Watt- und Halligführungen geben einen spielerischen und informativen Einstieg in diesen einzigartigen Lebensraum an der Nordsee. Häufig werden sie jedoch mit allgemeineren Fragen zum Halligleben von unseren Studis gelöchert: Wie oft ist denn hier Land unter? Kann man dann mit dem Boot von Warf zu Warf fahren? Was passiert dann mit dem Vieh? Hast Du das schon erlebt? Wie ist das dann so? Wie lange ist dann Land unter? Doch die Schützer machen viel mehr als „nur“ Führungen. Neben Monitoring-Aufgaben für den Nationalpark, leben und arbeiten sie im Selbstversorgerhaus, das sie hegen und pflegen. Auch wenn wir nur eine Woche zu Gast sind, fühlen wir uns hier Zuhause.

Dank des neuen und riesigen Seminarraums unterm Dach und der neuen Technik kann man hervorragend mit großen Gruppen theoretisch und praktisch arbeiten. Selbst wir Dozenten haben mit Freude experimentiert, was ein „Smartboard“ und eine „Dokumentenkamera“ für neue Anschauungsmöglichkeiten bietet. Doch zurück zu unserer Exkursion. Die Projektarbeit in Kleingruppen stellt das Kernelement unserer Exkursion dar. Hier schubsen wir unsere „Schäfchen“ ganz bewusst ins kalte Wasser. Selbständiges Arbeiten, wissenschaftliches Denken und Handeln wollen wir vermitteln. „Learning by doing“ ist dabei unser Ansatz. Trotz engem Zeitrahmen ermuntern wir zum Ausprobieren und Selberdenken und lassen Raum fürs Fehler machen. Nachdem wir sie scheinbar allein gelassen haben, bringen wir jede einzelne der insgesamt fünf Gruppen über gezielte Fragen auf ihren Weg. Am Ende der Woche haben sie sich nicht nur ein ökologisches Projekt im Lebensraum Wattenmeer erarbeitet, sondern dieses auch ihren Kommilitonen meist sehr kreativ und spielerisch vorgestellt.

Doch nicht nur die Lerninhalte der Universität stellen eine Herausforderung dar. Das Leben in einer großen Gruppe, in Mehrbettzimmern, Kochen für 22 Personen, Haushalten mit den Nahrungsmitteln, sich den Gewalten und dem Rhythmus der Natur zu unterwerfen – all das fordert und fördert unsere Gruppe. In dieser relativ isolierten Umgebung ist nicht mehr alles zu jeder Zeit verfügbar. Für viele eine neue, unbequeme Situation in der er/sie sich zurecht finden muss. Unser Lohn für die teils 16-Stunden Tage sind leuchtende Augen, wenn stolz von neuen Entdeckungen erzählt wird, wenn ökologische Konzepte aus den Lehrbüchern in der Natur wieder erkannt und verstanden werden. Und vor allem, wenn es bei wenigstens einer der angehenden Lehrkräfte ganz am Ende „Klick“ macht, wie Lehre gelebt und umgesetzt werden kann. Viel zu schnell kommt das Ende einer intensiven Woche in Sicht. Die Metamorphose unserer Gruppe ist vollendet. Aus etwas verunsicherten Unbekannten werden Bekannte, wenn nicht sogar Freunde, kleine Wissenschaftler und Wissensvermittler. Traurige, wehmütige Gesichter auf der Rückfahrt sind ein Zeichen dafür, dass wir etwas richtig gemacht haben. „Läuft!“ fasst den Erfolg typisch norddeutsch zusammen.

Natur erleben, die Begeisterung für fremde Lebensformen vermitteln und ein einmaliges Erlebnis schaffen, hilft nicht nur jeder einzelnen Persönlichkeit sondern auch der Natur. Denn nur das, was wir kennen und schätzen, schützen wir. Nachhaltigkeit und Naturschutz erlebt und gelebt wird hoffentlich helfen, diesen einzigartigen und wunderschönen Planeten namens „Erde“ zu erhalten.

Verena Tams und Dr. Claudia Drees