Die Tote Mannshand

(Alcyonium digitatum)

Fingerförmige Weichkoralle

Mit etwas morbider Phantasie kann man sich vorstellen, dass die kräftigen Hände von ertrunkenen Seeleuten so dick und bleich sein können wie weiße Exemplare dieser Weichkoralle. Die orangen Exemplaren ähneln eher modernen Plastikhandschuhen der Fischer. Die Tote Mannshand ist eine koloniebildendes Nesseltier, das auf Hartgrund der Nordsee wächst und das knubbelig, klumpenförmig oder eben oft fingerig verzweigt sein kann. Die 10 - 20 cm hohen Kolonien variieren in der Farbe von Weiß bis Dunkelorange. Wenn die Kolonie aktiv ist, streckt sie einige Hundert durchsichtige Polypenköpfe mit je 8 Fangärmchen in die Strömung. Dann sieht die Kolonie flauschig aus. Auf den Fangärmchen sitzen - wie bei Quallen und allen anderen Nesseltieren - winzige Nesselkapseln, die bei Berührung einen GIftpfeil ausschleudern. Im Ruhezustand sind die Köpfchen mit den Fangarmen eingezogen und auf der glatten Oberfläche als kleine sternförmige Punkte erkennbar. Am Strand angespülte Exemplare sind knubbelig und lederig hart. Sie könnten mit einem Schwamm verwechselt werden, wäre da nicht das dichte Muster der knapp einen Millimeter großen Sternpunkte.

Wie lebt die Tote Mannshand?

Als Hartgrundbesiedler von Nordatlantik und Nordsee zwischen Portugal und Nordkap war die Art bis etwa 1950 auch im Watt auf Muschelbänken und Sandkorallen-Riffen der tieferen Priele regelmäßig anzutreffen. Danach verschwand die Mannshand, wahrscheinlich infolge der immer intensiveren Krabbenfischerei. Grundschleppnetze reißen die Kolonien vom Untergrund los und töten die Tiere. Mannshände sind getrenntgeschlechtlich. Von August bis Dezemberg ruhen sie mit eingezogenen Fangtentakeln und bilden im Körperinneren große Mengen von Eiern oder Spermien. Diese werden im Dezember ins Meerwasser ausgestoßen, wo sie sich befruchten, als Larven einen neuen Wuchsort suchen und sich dort ansiedeln. Nach der Abgabe der Geschlechtszellen sind die Mannshände sehr hungrig und fischen von Januar bis Juli wieder eifrig Plankton.

Hätten Sie gedacht, dass...

  • ... der wissenschaftliche Name übersetzt in etwa "Gefingerter Fischjäger" bedeutet?
  • ... die Weichkoralle oft über 20 Jahre alt wird, aber schon nach 2 Jahren nahezu Endgröße erreicht?
  • ... sie sehr langlebige Larven hat, die monatelang im Plankton umher schwimmen können, ehe sie sich auf geeignetem Hartgrund fest ansiedeln?
  • ... die orange Farbe von Carotinen stammt, die die Tiere mit gefressenen Planktonalgen aufnehmen?
  • ... anhand der Nesselzellen der Mannshand erforscht wurde, wie diese überaus komplizierten Zellen mit nach innen eingerolltem Gift-"Lasso" wachsen?
  • ... Seemannshände auf Felsgrund häufig auftreten und einen wichtigen Teil der Tier-Biomasse bilden?
  • ... im Experiment nach 10 Befischungen mit einem Schleppnetz die Hälfte der Mannshände weg war?
  • ... die Art in der "Roten Liste der gefährdeten Arten der deutschen Nordsee" steht und auch anderswo als Anzeiger für Schäden durch Schleppnetze gilt?
  • ... seit 2016 erstmals nach Jahrzehnten vereinzelt wieder Tote Mannshände im Watt gefunden wurden?

Zur Toten Mannshand im Strandfunde-Internetportal BeachExplorer.org

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