Miesmuschel-Kompromiss 2015

Auszug aus "wattenmeer", Heft 3, 2015

Schon oft haben wir in "wattenmeer" über die Miesmuschelfischerei berichtet. Denn die intensive sogenannte Muschelkulturwirtschaft ist aus Sicht der Schutzstation Wattenmeer weder mit den Zielen des Nationalparks vereinbar noch vor dem Hintergrund eines über 90-prozentigen Rückgangs natürlicher Muschelbänke ökologisch zu verantworten. Daher sind wir mehrfach vor Gericht gezogen und konnten etwa die Einfuhr  von Jungmuscheln aus der Irischen See untersagen lassen.
Um die seit Bestehen des Nationalparks andauernden Auseinandersetzungen zu befrieden, initiierte Umwelt- und Fischereiminister Dr. Robert Habeck interne Verhandlungen, die nun nach anderthalb Jahren Dauer tatsächlich zu einer Vereinbarung führten.  
„Dieser Kompromiss ist der Bereitschaft aller Seiten zu verdanken, über ihre Schatten zu springen und so einen langjährigen, verhärteten Konflikt beizulegen. Das ist alles andere als selbstverständlich – wurden doch in den vergangenen Jahren die Konflikte vor Gericht ausgetragen“, sagte Habeck am 13. Juli, nachdem er gemeinsam mit der Erzeugergemeinschaft schleswig-holsteinischer Muschelfischer sowie Vertretern von Landesnaturschutzverband, NABU, Schutzstation Wattenmeer, Verein Jordsand und WWF die Eckpunktevereinbarung in Kiel unterschrieben hatte.
Die Naturschutzverbände werten die Übereinkunft als Durchbruch für den Schutz des Nationalparks. Denn die Fischerei auf wilde Unterwassermuschelbänke wird hiermit erheblich verringert. Diese Saatmuschelfischerei ist künftig nur noch innerhalb von vier der großen Tidebecken des schleswig-holsteinischen Wattenmeeres erlaubt, während vier andere dieser Gebiete für sie geschlossen werden. Zugleich wird die Fläche der künstlichen Miesmuschelkulturen auf 1.700 Hektar verringert, das sind 300 Hektar weniger als zuvor.
Jedoch kommt zu einem lachenden auch ein weinendes Auge. So ist zwar eine große Verbesserung für die empfindliche Natur des Nationalparks erreicht und gleichzeitig  ein langjähriger Konflikt beendet, der auf beiden Seiten viel Zeit und Ressourcen kostete. Allerdings bleiben die Änderungen hinter den Forderungen des Naturschutzes zurück, die Fischerei auf Wildmuscheln ganz zu beenden. Ein Wermutstropfen ist auch, dass Saatmuschel-Gewinnungsanlagen künftig auf bis zu 250 Hektar der Muschelkulturfläche eingerichtet werden können und dort das natürliche Landschaftsbild des Nationalparks beeinträchtigen. Insgesamt ist die Einigung jedoch ein großer Fortschritt für die Natur und deren ungestörte Entwicklung im Nationalpark. Es besteht nun Hoffnung, dass sich die Miesmuschelbänke in den kommenden Jahren erholen werden.
Bevor die vereinbarten Eckpunkte wirksam werden können, müssen auf ihrer Basis noch detaillierte Zulassungsanträge gestellt werden und eine umfassende Verträglichkeitsprüfung muss zu dem Ergebnis kommen, dass diese mit dem Nationalparkgesetz und dem europäischen Naturschutzrecht vereinbar sind.